Ein Spaziergang durch das örtliche Industriegebiet kann durchaus lehrreich, zumindest aber abwechslungsreich sein. Vor allem, da ein gewisser Massimo sein elektronisches Projekt unter diesem Namen führt und mit "Hodenkapsel" seine erste Visitenkarte abgegeben hatte. "Wer schön sein will muss sterben" lautet die Philosophie, die er uns 2011 mit auf dem Weg geben will, und wir schauen nun mal bei unserem Besuch, ob er damit Recht haben könnte. "Ein Traum der nie zu Ende geht" ist die erste Firma dieses Standortes. Hier wird zum Teil brutal gehämmert, vielschichtige Arbeitsprozesse und klassische Montageelemente erhöhen aber die Gefahr, dass man sich mit der Zeit in der Arbeit verliert und vergisst, dass man sich noch bei "Ein Traum der nie zu Ende geht" befindet. Das läuft bei "Erniedrigung" ganz anders, denn hier wird einfach alles zu Kleinholz verarbeitet, was nett sein könnte aber die Mitarbeiter lieben simplen Fäkalhumor der zumindest mich eher abschreckt. Die für mich interessanteste Firma ist "Are you ready (to rock)". Hier arbeitet alles an einem Strang und es groovt während des gesamten Arbeitstages. Das kann man von "Herzblut" nicht sagen, denn man vermisst bei der Besichtigung das, was der Name verspricht. Einzig die Samples mit den Arbeitsanweisungen wurden stimmig mit dem Rhythmus der Maschinen kombiniert. Und so setzt sich der Spaziergang immerwährend fort. Jede Firma hat ihre eigene Klangkulisse, es gibt auch Sonderproduktionen wie die EBM Abfertigung "Kriegskind", die sich allen gängigen EBM-Klischees bedient und diese nett mit technoiden Versatzstücken verbindet. Die Liebe zu technoiden Arbeitsschritten ist aber fast allen Firmen gemein, genau wie ein bisweilen leider sehr plumpes Händchen für werbeträchtige Samples. Diese sind aber immerhin wirklich gut in den Rythmus eingearbeitet worden – Erinnerungen an die Anfangstage von :wumpscut: und Velvet Avid Christ keimen da bei mir. Tja, was für einen Eindruck hat dieses Industriegebiet hinterlassen? Handwerklich wurde hier sauber gearbeitet, bei der Standortbesetzung wurde auf Vielfalt geachtet und sicherlich können die Produktergebnisse in hiesigen Tanzzentren zur Bewegung beitragen. Doch sehe ich Probleme beim Heimkonsum, da die Produktpalette sich eher an bewegungsorientierte Kunden richtet. Zwar werden Themen wie Kindesmissbrauch ("Gott hat Urlaub") oder die braune Unterwanderung der schwarzen Szene (überraschenderweise "Schwarz statt braun") angesprochen, doch beschränken sich die Samples auf nötigste Informationen und auch bei diesen Vertretern steht die Rhythmusabteilung im Vordergrund. Etwas erschwert wird die Leidenschaft für den Standort durch 4 offenbleibende Fragen: 1. Warum besteht Gebietsleitung auf das Blut-Evil-Dark Image, wenn doch fast alle Produkte gut aber absolut un-schwarz klingen? Es ist doch vollkommen okey, wenn Industriegebiet eben keinen Dark Industrial (oder wie auch immer) machen sondern einfach elektronische Musik. 2. Warum werden so häufig wirklich plumpe Stumpfwitz Samples genutzt (wir sind doch im Industriegebiet und nicht aufm Bau)? 3. Wieso um Gottes Willen traut man sich an Kraftwerk's Roboter heran ? Das kann nur schiefgehen und das tut es dann auch achtkantig... Und schließlich: Warum sind 50% der Produktbeispiele spannend, abwechslungsreich und vielschichtig montiert während der Rest lieblos und gelangweilt angefertigt klingt? Naja, trotzdem ein feines Beispiel anwendungsgeeigneter Tanzelektronik.