Mit dem Monat Juni geht unser Special „Lang-Spiel-Platten“ in eine neue Runde. Nachdem wir Euch an dieser Stelle bereits ein paar „echte Klassiker“ vorgestellt haben, will ich die Rubrik diesmal mal etwas weniger ernsthaft gestalten und ein bisschen aus der Reihe tanzen. Eigentlich hatte ich geplant, Kraftwerks „Autobahn“ vorzustellen, doch auch „Love“ meiner dunklen Lieblinge The Cult, „The very best of“ der kanadischen Heroen Men without Hats oder gar das Zweitwerk „Tales from the thousand lakes“ der (damals noch) langhaarigen, starken Finnen-Metaller Amorphis hatte ich erwogen. Doch bei einer meiner vielen Umräumaktionen bzw. „Trennungs-Flashes“ (das bedeutet, ich sortiere meinen Kram regelmäßig nach „behalten“ und „weg damit“ aus) fiel mir mein wohl ältestes Tape wieder in die Hände. Damit warf ich alle anderen Ideen über Bord und hütete den kleinen Schatz fortan noch aufmerksamer. Mal abgesehen von der unglaublich schlechten Aufnahmequalität wusste ich erst gar nicht, ob ich lachen oder ob es mir Tränen einer schönen Erinnerung in die Augen treiben sollte. Beides war der Fall. Wie es Euch, liebe Leser, beim Lesen dieser Zeilen ergehen wird, kann ich nicht sagen – vielleicht wird der ein oder andere angesichts gemeinsamer Erinnerungen lachen, manche mögen sich denken, ich sei komplett bescheuert und habe wohl den falschen Humor in die Wiege gelegt bekommen. Letzteres ist mir allerdings total egal, denn die Musikkassette bedeutet mir sehr viel und ich habe sie in den vergangenen Wochen immer mehr lieb gewonnen. Wann genau sie aufgenommen wurde, ist schwer zu sagen. Es muss irgendwann Ende der 80er Jahre gewesen sein. Schreiben konnte ich schon, nur der Unterschied zwischen dem „ß“ bzw. „s“ bereitete mir noch, wie unschwer zu erkennen, etwas Probleme. Ich saß also in meinem Zimmer, den Kassettenrekorder an den alten Arosa-Radio der Familie angeschlossen und lauschte gebannt dem Musikprogramm irgendeines Senders, Bayern 3 nehme ich an. Ob es jedoch die wöchentliche Hitparade oder eine andere Sendung war, auch das lässt sich in meiner Erinnerung nicht mehr rekonstruieren. Da ich damals keine Tracklist erstellt habe, habe ich das nun nachgeholt, nach über 20 Jahren! Zu meinem Bedauern ist mir das nicht vollständig gelungen. Selbst nach einem über einstündigen, heiteren Telefonat mit meiner MK-Kollegin und Freundin Claudia („Du, hör mal! Ich muss dir da was vorspielen und hab keine Ahnung was das ist! Du vielleicht?) wußte ich das große Rätsel nicht vollständig zu lösen. Irgendwann konnte mir sogar die große, bekannte Suchmaschine nicht mehr helfen. Das ein oder andere „One-Hit-Wonder“ wurde aber trotzdem nach so vielen Jahren enttarnt. Zeit meines Lebens habe ich immer viel Musik gehört, angefangen mit meinen Mega-Stars Andy Borg und Nena – beide sind heute noch auf der Bühne aktiv, doch hinhören kann ich da nicht mehr. Seit ich mit 14 Jahren allerdings zum ersten Mal eine Wave-Disco (Das La Grange lebt in der Erinnerung!!) gewesen bin, habe ich mich von meinem neu ausgerichteten Geschmack nicht mehr abbringen lassen. Was nun aber vom Band dieses knallorangefarbenen Kästchens schallt, gefällt mir (zum Teil)! Pop-Musik, wie man sie in den 80ern hörte, und für die man sich heute eigentlich schämen müsste, manchmal zumindest – oder doch nicht? Zwischen den Songs ertönt regelmäßig das Scheppern, wenn die Aufnahme- und Stopp-Taste gedrückt wurde, oder der nach einem Lied einsetzende Radio-Moderator, der sofort wieder abgewürgt werden musste. Wenn man auch wieder mal zu langsam war! Richtig retro ist vor allem das laute Rauschen und Knacken der Musikkassette, die unverkennbar in die Jahre gekommen ist. Eher schmerzend dagegen das Geräusch, wenn sich auf der angepeilten Frequenz auch nach x-maligem Drehen des Rädchens kein Empfang einstellen will. Aber Gott sei Dank scheine ich es irgendwann geschafft zu haben. Eine recht bunte Mischung ist es, die sich auf dem 60-Minuten Tape angesammelt hat. Beginnen will ich mit meinen drei Favoriten (die seit Tagen hier rauf- und runterlaufen): Anne Clark: Our darkness Ein – oder wohl DER wunderbare zeitlos-kühle Song der großen charismatischen Wave-Poetin, auf deren Konzerten sich das Durchschnittsalter auf angenehme „um die 30“ einpendelt und nach dem sogar eine feine, regelmäßig stattfindende Party in Stuttgart benannt ist. „Our darkness“ ist ein echter Klassiker, der keiner weiteren Worte mehr bedarf. Ähnlich ergeht es mir auch mit dem nächsten Song, den ich am liebsten schön aufgedreht höre und dessen Hymnencharakter mich wieder zum träumenden Teenie werden lässt: The Pet Shop Boys: Always on my mind, in ewiger Erinnerung an King Elvis. Für mich persönlich der schönste Cover-Song, den ich je gehört habe - herrlich bombastisch und mit viel Pathos. Schön, dass Chris Lowe und Neil Tennant immer noch im Geschäft sind, wenngleich ihrer Karriere auch mit etlichen musikalischen Belanglosigkeiten gepflastert ist. Am folgenden Song werden sich wohl die berühmten Geister scheiden. Münchner Freiheit: So lang' man Träume noch leben kann Um ehrlich zu sein, mochte ich damals nicht nur die gefühlbetonten (ein Synonym für schmalzig), so schön mitzusingenden Balladen des Quintetts (benannt nach dem gemütlichen Platz im Herzen Schwabings). Irgendwie war ich in die lange Nase von Sänger, Keyboarder und Gründungsmitglied Stefan Zauner und in die wilden blonden Locken von Gitarrist Aron Strobel zur damaligen Zeit schwer verschossen. Mein großer Traum, die Band einmal live zu sehen, am liebsten in München, ist bis heute leider nicht wahr geworden. Ich habe mich nie getraut, eine Karte zu kaufen... Doch den Song – wie auch „Tausendmal Du“ – ebenfalls ein Riesenhit der Band, kann ich immer noch hören, ohne mich zu schämen! An dieser Stelle ist etwas unglaubliches zu erwähnen: Im Anschluss dieses Songs verkündet der Radio Moderator „Das war „Küss die Hand schöne Frau“ von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung“ ... (abgewürgt), obwohl dieser Track in voller Länge an ganzer anderer Stelle auf dem Tape auftaucht. Muss ich das verstehen? Hatte hier ein Geist seine Finger im Spiel? Weitere persönliche Highlights auf meinem Mixtape kann ich nur kurz anreißen, da ich meist nicht wirklich viel über die jeweiligen Bands und deren Hintergründe weiß (geschweige denn, WER das überhaupt mit WELCHEM Song ist!!). The Bangles mit ihrem Superhit „Heaven is a place on earth” bilden natürlich eine Ausnahme, ebenso die österreichischen Ulknudeln der “Ersten Allgemeinen Verunsicherung”, die heute noch durch die Landschaft reisen und mit ihrem Wortwitz Hallen und Zelte mit lachenden Gesichtern jeglichen Alters füllen! Matt Bianco und The Bee Gees dürften ebenfalls bekannt sein, wer jedoch – zum Teufel! – ist Guillermo Marchena? Ich konnte es mangels Zeit und dank Internetprobleme nicht mehr herausfinden. „My love is a tango“ jedoch schien nicht nur damals ein großer Hit zu sein – ich höre diesen unverkennbar nach 80er klingenden Song heute noch sehr, sehr gerne. Eher lachhaft und „furchtbar out“, aber damals mega-in waren die Songs von „Video Kids“ und „M/A/R/R/S“. No commet – oder sind wir nicht alle woodpeckers from space? Eine Sternchen-Bewertung zu vergeben wird hier etwas schwierig. Eigentlich ist ja zu erwarten, dass der hier vorgestellte Tonträger locker die 5 Sterne-Hürde erklimmen sollte, denn sonst hätte er unter den „Lieblingen“ ja nichts zu suchen. Diesem Tape würde ich aus persönlichen „Kult“-Gründen, aber aufgrund mangelnder Sensibilität im Jugendalter, wie wirklich gute Mix-Tapes strukturiert werden sollten, volle 5 Sterne (anstatt 6) geben. Die fiese Aufnahmequalität trägt wie bereits erwähnt ebenfalls zum gelungenen Gesamterlebnis bei. Dieses Tape höre ich bis zu seinem mechanischen Tod! PS: Wer eine Kopie dieser Kassette haben möchte, der setze sich bitte mit mir in Verbindung! Nur die BASF-Kassette in Orange werde ich wohl nicht mehr besorgen können ...