Haujobb - The Machine In The Ghost

Haujobb - The Machine In...

Bei Daniel Myer wird elektronische Musik nicht zu einer Abfolge inspirationsloser Presets, die sich über einen stupenden Vierviertelbeat ausbreiten, degradiert. Seine Songs sind immer filigrane, teils schwer zu durchdringende Kunstwerke, die sich auf der Schnittstelle zwischen Avantgarde und Eingängigkeit befinden. Im größten Krach das Popmoment herauszuarbeiten und den Popnummern die höchste Widerborstigkeit verpassen - darin liegt Myers Kernkompetenz. Das hat er nicht zuletzt auch bei Covenant unter Beweis gestellt, als er Keyboarder Clas Nachmanson beerbte. Kaum als festes Mitglied installiert, änderte er auch spürbar die musikalische Ausrichtung des einst rein schwedischen Trios, weg vom Future Pop, hin zu einem vertrackteren Klang. 

Bekannt geworden ist Myer allerdings mit seinem Projekt Haujobb, das besonders um die Jahrtausendwende mit einigen großartigen Alben wie "Solutions For A Small Planet" (1996) oder "Polarity" (2001) um die Ecke kam. Einhellig positive Bewertungen sind dem gebürtigen Bielefelder aber selten vergönnt. Das liegt vor allem daran, dass er sich vehement dagegen sträubt, in eine Schublade zu passen, respektive gesteckt zu werden. Dieses "unstete" hat ihm manch einer (zu Unrecht) angekreidet.

Auf dem neuen Album "The Machine In The Ghost" ändert der Wahlleipziger nichts an seinem Image als anspruchsvoller Elektroniker. Der Albumtitel verweist dabei auf einen Ausspruch des Philosophen Gilbert Ryle von 1949. Dieser sprach allerdings vom "ghost in the machine", also vom "Geist" des Geistes, der die "Maschine", den menschlichen Körper, in Bewegung setzt (nebenbei ist "Ghost In The Machine" auch noch ein superbes Album von The Police aus dem Jahre 1981, aber das ist eine andere Geschichte). Myer und sein partner in crime Dejan Samardzic drehen nun die Beziehung um: Die Maschine haucht dem Geist Leben ein - das klingt ein bisschen nach "Matrix", und im Zuge der immer komplexer agierenden KI sogar alles andere als weit hergeholt. Es ist der große Kampf zwischen analog und digital, den Haujobb, mal mehr, mal weniger verklausuliert, verhandeln.

Das erste Album nach der 2015er Scheibe "Blendwerk" kommt nach einer Zeit großer gesamtgesellschaftlicher Umbrüche, beginnend mit Trumps Wahl zum Präsidenten, welche die Grenzen des Sagbaren deutlich verschoben haben, über die einschneidenden Corona-Jahre, den immer drängenderen Umweltproblemen bis hin zum Erstarken politisch extremer Ränder. Zu behaupten "The Machine In The Ghost" würde all dies verhandeln, überinterpretiert deutlich. Dass Myer und Samardzic von diesen Ereignissen aber gänzlich unberührt geblieben sind, wäre ebenso falsch. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Dunkel klingt das Album auf jeden Fall - vielleicht sogar noch etwas sinistrer als die früheren Werke.

Denn Haujobb dekonstruieren weiter alle elektronischen Spielarten, um sie sich für ihre eigene Zwecke Untertan zu machen. Ein Stück wie "Uselessness" ist, nicht nur vom Titel her, an Depeche Mode angelehnt - die maschinellen Popsounds zeigen sich von den Jungs aus Basildon beeinflusst. Auch And One, die ihrerseits die Briten zum Vorbild nahmen, wären ein Referenzpunkt. Das nachfolgende "In The Headlight", das von einem Maschinengeräusch eingeleitet wird (Staubsauger? Ventilator?), verweist auf das Album "Construction Time Again", bei dem Depeche Mode intensiv das Samplingverfahren nutzte ("Pipeline" bleibt ein herausragender Track).

Wer aber Haujobb respektive Myer kennt, der weiß, dass dies nur eine Facette des üppigen Ohrenschmaus ist. "Tomorrow" setzt Dark-Ambient-Flächen mit stoischem Schlagwerk zusammen und erschafft so  eine klaustrophobische Atmosphäre, während "Singularity" fiese Synthie-Tupfer und ein wiederholtes "Ok Computer" (Radiohead anyone?) in den Ring wirft. Final darf Hannes Rief von Die Selektion für "While It Rains" seine Trompete in Szene setzen, während die Elektronik als dräuendes Unwetter am Horizont fungiert. Auch hier haben wir es wieder: das Spannungsverhältnis von analog und digital, welches Haujobb bis in die letzte Note schlüssig verhandelt.  Ein gelungenes Comeback eines außergewöhnlichen Projektes.

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