Nie wirklich im Rampenlicht der breiten Öffentlichkeit stehend sind Fliehende Stürme seit Jahren, ja seit Jahrzehnten, eine feste Größe in der deutschen Punk- und Gothrocklandschaft. 1983 gegründet standen bis 1995 die Gebrüder Löhr für die Band, die Teil der sogenannten Depropunk Spielart sind: Punk mit WaveElementen und meist tiefgründigen Texten. Nach dem Tod des Bruders führte Andreas Löhr Fliehende Stürme alleine fort – die markanten Gitarrenriffs, seine Texte und seine unnachahmliche Stimme blieben dadurch als typische Elemente erhalten.

Mit der Zeit zeigten sich die natürlichen Abnutzungserscheinungen, insbesondere bei den letzten beiden Alben "Lunaire..." und "Die Tiere schweigen". Wie als klingt das neunte Album der Bandgeschichte und lohnt sich das "Warten auf Raketen"? Eine Frage, die nicht sofort beantwortet werden kann. Zu schwierig ist die Entscheidung, ob das Album nun auf ganzer Länge funktioniert. Denn Fliehende Stürme klingen in jeder Sekunde wie Fliehende Stürme, die Unterschiede bei den einzelnen Tracks sind dementsprechend gering und man kann eigentlich nur am Ende sagen, ob der "Zauber" der Band wirkte oder (wie eben auf den faden Vorgänern) nicht. Bei mir hat das Album gezündet, soviel sei gesagt.

Mit dem neuen Album hieß Andreas Löhr zwei feste Musiker an Bord willkommen, die Studioaufnahmen entstanden nun also nicht in Eigenregie, Drums wurden immer live eingespielt und die Beteiligung der beiden Neuen brachte vielleicht auch neue Ideen in die kleine Stürme Welt. Drei Akkorde, Bass, Gitarre, Schlagzeug, ab und an perfekt gesetzter Keyboardeinsatz – die Grundkomponenten sind in allen Songs die selben. "Sterne" bringt gleich in Stimmung, die drei anschließenden Songs gehören aber zu den Höhepunkten der letzten 6 Jahre. "Führerlos" ist ein wütender Brocken Politik- und Gesellschaftskritik mit ungewöhnlichem Gesangsstil und herrlichem Orgeleinsatz (nur 2 Töne, perfekte Wirkung). "Teilzeit" schafft bei allem textlichen Pessimismus eine schöne Stimmung.

Mein Favorit für die nächsten Wochen, soviel ist klar. Und auch "Horizont" mit dem überraschend Mut machenden Text und einem Löhr, der melodisch wie schon lange nicht mehr singt, haut mich um. Also vier tolle Songs – damit ist für mich das Soll mehr als erfüllt. Schade zwar, dass das Album ab dann wirklich nachlässt, aber solide sind die folgenden Songs allemal. Fliehende Stürme Fans müssen zugreifen. Aber auch die Unkundigen können sich an den Raketen versuchen. Zwar sind Livekonzerte (wirklich eine tolle Erfahrung!) und die ersten drei Alben immernoch State of Art, aber Löhr ist 2011 in super Form.