2005 tauchte Fix8:Sëd8 erstmals mit einer Veröffentlichung auf. Das Album „Humanophobia“ und auch der Nachfolger „Dormicum“ (2009) erschienen in Eigenregie. Der Titelsong von „Dormicum“ erschien im selben Jahr auf dem Dependent-Sampler „Septic VIII“, gefolgt vom Song „Hiob“ auf dem 6 Jahre später erscheinenden Sampler „Dependence 2015“. Nur zwei Jahre später brachte das Label Dependent den Longplayer „Foren 6“ in die CD-Player. Längere Produktionsphasen gehörten nun der Vergangenheit an, konnte man doch bereits 2 Jahre später „Warning Signs“ erlauschen.
Ein Rhythmus, der sich wohl einspielt, denn bereits 2021 erscheint nun das nächste Album des Wiesbadener Künstlers bei „Dependent“. Sicherlich spielten hier auch gewonnene Zeitfenster eine Rolle, da der mittlerweile gut gebuchte Act pandemiebedingt leider nicht die Möglichkeit hatte sein Repertoire live zu präsentieren. Laut Pressetext hat eben jene Pandemie den Kopf hinter Fix8:Sëd8, Martin Sane auch bei der Produktion von „The Inevitable Relapse" beeinflusst.
Beginnen wir also die Reise mit „Enigma“. Ich mag ja lange, getragene Intros. Genau ein solches leitet das Album ein. Melodien werden nur durchbrochen von geschickt eingesetzten Sprachsamples. Unmerklich beginnt dann der eigentliche Titel mit einem geschickt verpackten Wechsel, der kaum auffällt. Bereits hier merkt man, dass Fix8:Sëd8 den Vorbildern (Skinny Puppy, Frontline Assembly, …) längst entwachsen ist. Mit dem, bereits vorab veröffentlichten, „Prognosis“ geht es nun weiter. Jetzt zieht die Band auch an der Temposchraube. Der Song ist gekennzeichnet von einem gut ausgearbeiteten, fein gesetzten Drumpart, während drumherum die Synths einen teilweise stark entrückten Klangteppich ausbreiten. Der Song ist ein kleiner Mindfucker, der sich tief in die Ecken des Hirns gräbt. Aufgeräumter und geradliniger geht es nun mit „Human Harvest“ voran. Dieser Song besticht vor allem durch gut platzierte Samples und die unterschiedlichen Stimmeffekte. Ansonsten gibt es hier nicht viel Lametta, was unnötig von der eigentlichen Inszenierung ablenken würde. Bei „Tremors“ habe ich dann erstmal geschaut, ob ich noch dasselbe Album höre. Der Song ist ein kleiner Dark-Waver mit einer klar einsetzenden Stimme, die sich über die Elektronik legt. Hier trifft Martin also auf die Sängerin Emese von „Black Nail Cabaret“. Herausgekommen ist ein sehr schöner Titel, der zwei Welten miteinander verbindet. Da krabbelt Fix8:Sëd8 gekonnt über den Tellerrand hinaus.
„Unknown to Virtue“ zieht mich dann direkt an beiden Füßen wieder in die giftige Suppe. Der schnarrende Drumbeat lässt nicht viel Raum für träumerische Melodien und die Maschinenstimme frisst sich in den eben mit Samt ausgekleideten Gehörgang. Die klar voranschreitenden Drums zwingen mich unbedingt zum Mitwippen. Und auch der Break mit den punktuierten Samples weiß zu überzeugen.
Der Titelsong „The inevitable Relapse“ setzt sehr langsam ein und baut sich 2 Minuten auf. Im Hauptteil kann man dann phasenweise Martins Stimme erahnen. Wirkt er zu Beginn etwas unterinstrumentiert, erkennt man genau das jedoch als Stilmittel, da die Härte unmerklich, aber doch immer unerbittlicher einsetzt. Gegen Ende baut sich durch atonale Sequenzen und den Gesang eine verzweifelte Atmosphäre auf, nur um sich wieder in den klaren Sounds zu verlieren. „Meltdown“ schließt sich an und versucht durch eingebaute Soundspritzen den Song aus der Geradlinigkeit zu reißen. Leider kann mich dieser Song nicht überzeugen. Es liegt vielleicht auch daran, dass der tempogebende Bass teilweise so verschwindet, dass ich den Faden im Song verliere. Aber „Pale Light Shadow“ entschuldigt den kleinen Fauxpas sofort wieder. Diesen Song mochte ich vom ersten Hören an. Der schleppende Beat wird durchzuckt von wirrendem Soundgeflitter. Augen zu und abheben. Die Stimme kratzt mir den Rücken rauf und setzt sich im psychotischen Soundgewitter grinsend auf meine Schulter. Von ganz hinten versuchen dann Samples den Donner erfolglos zu durchbrechen. Ja, hier bekomme ich Bilder im Kopf. So muss das sein! Zum Ende hin stampft der Titel dann nochmal los, um sich einfach so aufzulösen. Hut ab!
„Chlorine clean tears“ entfaltet sich dann in schizophrenem Ambiente, bei dem ich nicht weiß, ob ich den Samples, oder der nagenden Stimme lauschen sollte. Dazwischen hängt irgendwo ein Klavierfetzen, der zusätzlich an den Nerven zerrt. Tragische Flächen versuchen doch irgendwie die Realität zu bewahren. Das alles ist in einen Beat gegossen, der den einzigen Halt gibt und letztendlich auch den Gesang zu bändigen weiß. „Metabolite“ erfüllt letztlich das Versprechen des „unausweichlichen Rückfalls“. Dieser Titel hätte genauso auch vor 25 Jahren erscheinen können. Ohne große Kompromisse geht er seinen Weg und führt an die Ursprünge von Fix8:Sëd8 zurück. Stellenweise klingen sogar die Samples aus der Zeit gefallen, was jedoch ganz erkennbar Absicht ist. Passend zum Einstieg lässt uns Martin hier mehrere Minuten Zeit, um wieder aufzutauchen und „führt“ uns quasi versöhnlich aus der, vor zehn Titeln begonnenen, Reise.
Ich kann der Pandemie nicht viel Gutes abgewinnen. Mir fehlen die Kontakte, die Konzertbesuche, Kneipenabende und das allgemeine Leben. Aber, falls es tatsächlich der Fall ist, dass die Pandemie maßgeblich am Entstehen von „The inevitable Relapse“ beteiligt gewesen ist, so kann ich hier Gutes vermelden. Definitiv ist es so, dass Fix8:Sëd8 die zugrundeliegenden Einflüsse nicht verleugnet. Jedoch hebt er sich mittlerweile selbstbewusst daraus hervor. Diese Eigenständigkeit wird unter anderem in intelligent verspielten Strukturen und Mut zum Experimentieren erkennbar. Nicht zuletzt steht „Tremors“ als gelungenes Beispiel für diese Entwicklung im zentralen Teil des Albums Ohne Zweifel ist Fix8:Sëd8 tief in den 90er Jahren verwurzelt. Jedoch haben es diese 90er Jahre geschafft frisch und eindringlich im Jahr 2021 anzukommen. Der 2021er Output ist in zwei Versionen erschienen. Neben der regulären Version gibt es eine auf 666 Stück limitierte, nummerierte 32-seitige Artbook-Edition. Diese enthält eine Bonus-CD mit Coverversionen der Albumtitel. Das ausgesprochen sehenswerte Artwork zu „The inevitable Relapse“ stammt von dem Frankfurter Art Director „Plastic-Hand“ Sanan Jafan. Ich rate dazu, dass man „The inevitable Relapse“ die Aufmerksamkeit zukommen lässt, die es verdient. Das ist kein Stück Musik zum nebenbei Hören. Lässt man sich darauf ein, entfaltet sich ein tolles, durchdachtes und gut produziertes Album. Ganz sicher wird dem Projekt durch diese Veröffentlichung ein breiteres Publikum erschlossen. Ich bleibe von nun an ganz sicher aufmerksam dabei. Da die Festivals vom letzten Jahr eigentlich größtenteils auf dieses Jahr verschoben wurden, werde ich Martin mit seinem Projekt definitiv live erleben. Bis dahin kann ich mich mit diesem guten Longplayer trösten.
Anspieltipps: Enigma, Tremors, The inevitable Relapse, und allen voran: Pale light shadow