Musikalische Überraschungen sind doch immer schöner als das routiniert Erwartbare mit marginal veränderter Dekoration vorgesetzt zu bekommen: Als vor einigen Jahren die Kasselaner Frank Hammermüller und Klaus Schwarz mir unbekannterweise auf einer Synthpop-Party im Panoptikum aufspielten, wobei mein Besuch ursprünglich der Band „Boundlezz“ sowie einem gepflegten Plausch mit Olaf Himmelmann von „Spreading Point“ galt, sorgten bereits die ersten Takte des Openers „Lies“ für Gewissheit - dieses sympathische Duo hat nicht zuletzt aufgrund seiner ansteckenden Bühnenpräsenz Potenzial.

Routiniert musizierten sich die schwarz bemantelten Elektroniker durch das einstündige Konzert, vermittelten dabei Spaß („Eisbär“) und transportierten selbst nachdenkliche Zeilen („Absolving Me“) mit einer unbeschwerten Performance, die beim Zuschauer das Fazit reifen ließ, dass hier zwei motivierte Electrofreaks mit höheren Ambitionen am Werke waren. Die weitere Veröffentlichungspolitik verlief dann zwar nicht ganz so stringent wie einst erwartet, aber einige clubtaugliche Singles, ein professionelles Video mit „Stromberg“-Nebendarsteller Prashant und die Kollaboration mit angesagten Genre-Acts, für die Klaus und Frank als Remixer fungierten, setzten den Namen der Band dauerhaft im Gedächtnis vieler Synthpop-Freunde fest: „evo-lution“. Evolution ist per se ein laufender Prozess, der niemals zum Stillstand kommt. Entsprechend sahen sich die beiden Protagonisten verpflichtet, ihr zweites Album „Jahreszeiten“ um evolutionär aufgepeppte Versionen der stärksten Songs ihres Debüts „Changing Memories“ zu bereichern. So wurde das eingangs erwähnte „Lies“ um druckvollere Beats ergänzt, stellt „Society of Today“ den Lead-Synth noch stärker in den Fokus und wartet „Träume“ mit einem bärenstarken Intro auf, das auch live bestens funktioniert.

Für die Produktion zeichnet unter anderem Per Anders Kurenbach verantwortlich, der Ende des letzten Jahrtausends den „Psyche“-Sound teil-revolutionierte und gemeinsam mit Legende Darrin Huss das Album „Love Among The Ruined“ auf den Markt brachte. Einige der damals eingebauten Sounds finden sich nun auch auf dem „Jahreszeiten“-Album von „evo-lution“ wieder - aber keine Angst, 90% der CD entfernen sich nicht wesentlich von der bekannten Klangdefinition der Nordhessen: flotte, future-poppige, leicht ange“darkte“ Electrohymnen, bei denen die Synthie-Melodien für Wiedererkennungswert sorgen. Im Vergleich zum Debüt sind die Songs bisweilen etwas EBM-lastiger ausgefallen, aber überraschenderweise stellen primär die neuen Lieder „Pay The Price“ und „Missing My Heart“ einen ruhenden Pol in der stürmischen Brandung, bestehend aus variierenden Electro-Drums, dar.

Die sattsam bemühte Floskel der „Anspieltipps“ möchte ich in dieser Rezension nur insofern bedienen, als dass die persönlichen Highlights stark stimmungsabhängig sein dürften. Generell bin ich auch zwei Jahre nach Veröffentlichung des vermeintlichen Bonustracks „Allein“ immer noch der Meinung, dass dieser Song sträflich unterschätzt wird und einen hohen Hitfaktor hat. Da müsste noch etwas rauszuholen sein. Aber auch der Stakkato-Gesang bei „Ewigkeit“ oder das sensible „Jahreszeiten“ katapultieren sich auf vordere Plätze der internen Albumcharts. Einen echten Kaufanreiz bieten ferner die illustren Remixer, von denen Beborn Beton mit ihrer noisigen, minimalistischen „Allein“-Version den Vogel abschießen - positiv gesehen. evo-lution bleibt zu wünschen, dass sie ihren eingeschlagenen Weg voranschreiten, weiterhin so detailreich komponieren und dabei ihr größtes Talent, das Gespür für einprägsame Melodien, nicht vernachlässigen. „Jahreszeiten“ ist ein Album für das ganze Jahr.