Evestus - This Is Dramacore

Der 26jährige Estländer Ott Evestus erprobte sein musikalisches Talent u.a. als Sänger der 2002 gegründeten Hardcore Metal-Band Solwaig, welche seit ca. 2004 ruht, begann 2003 sein Solo-Projekt unter eigenem Namen und war bis 2005 nebenbei auch noch bei der Industrial Metal-Band Forgotten Sunrise (welche ebenfalls der Haupstadt Tallinn entsprang) an den Drums aktiv. Anfang 2004 kam das erste Album von Solwaig heraus, und auch mit seinem Soloprojekt veröffentlichte er in diesem Jahr auf DTrash Records seine erste Scheibe namens "Destiny in Life", auf der er seine elektronische Experimentierfreudigkeit auslebte. Die Resonanz scheint ihn ermutigt zu haben, diesen Weg weiter zu beschreiten, und so erschien 2006 der Nachfolger "Wastelands", welcher z.B. Elemente aus Jazz und Industrial fusionierte. Seitdem werkelte Evestus in Eigenregie an einem neuen Konzept, einem neuen Album, was zunächst 2008 zur Veröffentlichung der Singles "Sacrifice" und "Enemy" inkl. Video führte und dieses Jahr mit "This Is Dramacore" seinen erfolgreichen Abschluss fand. Die CD kommt in einem Jewel-Case mit Papp-Schuber und dickem, die lyrischen Ergüsse enthaltenden, Booklet. Das ganze ist recht hochwertig gestaltet und macht schonmal deutlich, dass sich jemand mühevoll damit auseinandergesetzt hat. Beim Anspielen des ersten Stücks manifestiert sich von Beginn an ein grundlegender Bestandteil des Stils dieses Albums: die Streichinstrumente. Nicht umsonst stehen bei Live-Auftritten ein paar Cellisten mit auf der Bühne. In jedem Stück wird auf ihre harmonisierende und entschleunigende Wirkung zurückgegriffen, mal gezupft, aber meistens gestrichen. Das Ensemble wird zusätzlich ergänzt mit Klavierklängen, die im weiteren Verlauf auch relativ häufig anzutreffen sind, ebenso wie die E-Gitarren-Einlagen, welche hier hohe, eher länger auslaufende Akkorde beinhalten. "Demons Of Fame" offenbart dann auch den Gesangsstil auf diesem Album, der mich an Stromkern's Sprechgesang erinnert, bei dem der Rhythmus häufiger zu variieren scheint als die Tonlage. Das ganze wird mit einer Art Hip Hop-Beat unterlegt. Im folgenden "Dramacore" kommt dann stärker der Industrial- und Metal-Einfluss zur Geltung, die Gitarren-Riffs sind tiefer und kürzer, gepaart mit DnB-Breakbeats. In "Pikachu Warriors" tauchen zum ersten Mal die Blastbeat-Salven auf, die auch später noch häufiger eingesetzt werden. Zusammen mit verzerrter Snare und Stimme, sowie Duracell-Hasen-HiHat, wird hier eine Menge Energie freigelassen. Was den Beat angeht, wird auf "This Is Dramacore" insgesamt ein hohes Tempo vorgelegt, und gelegentlich werden Assoziationen zu Digital Hardcore möglich, allerdings auch zu Black Metal, Nu Metal oder Gothic Rock. Wenn man die Strings noch dazunimmt, ist man auch schnell bei Vergleichen zu Symphonic Metal-Arten angelangt. Evestus kann allerdings auch besinnlicher, so baut "Gone" auf einem Rhythmus auf, den man eher mit Trip-Hop in Verbindung bringen könnte. In Kombination mit dem Klassik-Teil wird dadurch mehr Emotion aufgebaut als durch den eintönigen Sprechgesang. Gelegentlich weicht Evestus jedoch auch davon ab und versucht sich an schneller aufeinander folgenden Tonlagenwechseln und weniger beat-orientiertem Metrum, allerdings funktioniert das nicht besonders gut, zumindest wirkte es für meine Ohren irgendwie gezwungen und nicht überzeugend. Ein interessantes, durchwachsenes Werk, das Evestus hiermit vorlegt. Die Kompositionen sind gelungen, d.h. sie vereinen zahlreiche Stile, sind sehr abwechslungsreich und vor allem auch kohärent. Die einzige Gefahr ist, dass es sich, aufgrund des eifrigen Einsatzes von zahlreichen Samples und Sounds, evtl. zu überladen anhört, zumindest bei mir ist dieser Eindruck jedoch nicht entstanden. Mein einziges Problem liegt in dem Gesang, den ich nicht gerade als spannend bezeichnen würde. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb mir die Interludes, die nicht als einzelne Tracks auftauchen, sondern immer am ende eines Liedes einsetzen und für einen flüssigen Übergang zum nächsten sorgen, z.T. besser gefallen als die Lieder selbst.

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