Sich als Künstler stilstisch neu zu orientieren, birgt auch immer Gefahren. Bei Displacer, hinter dem sich der Soundfrickler Michael Morton aus Toronto verbirgt, ist "The Witching Hour" von 2008 ein durchaus heikles Unterfangen gewesen. Denn es unterschied sich deutlich von seinen drei Vorgängern "Moon_Phase" (2003), "Arroyo" (2004) und "Cage Fighter's Lullaby" (2006). Waren diese nämlich noch einem melodiösen Ambient verpflichtet, änderte Morton die Grundstimmung seines vierten Albums radikal.

Seine Sounds flirrten nun nicht mehr durch den Äther, sondern würmelten am Boden umher. Bassbetonte, triphoppige Rhythmen wie im Titelsong, dazu einige Samples aus alten Horrorfilmen und eine reduzierte Soundästhetik gaben eine bislang unbekannte Facette im Wirken von Michael Morton frei. Doch den neu eingeschlagenen Weg goutierte nicht jeder. Der Musiker selbst hat in einem Instagram-Post zu seinem Rerelease geschrieben, dass "The Witching Hour" ein Album ist, dass seinerzeit etwas unter dem Radar geflogen ist, weil es sich deutlich von seinen vorherigen Arbeiten abhebt. Mit der Wiederveröffentlichung gibt er seiner 16 Jahre alten Veröffentlichung nun eine zweite Chance.

Dabei sind seine Liebe zu hypnotischen Melodien auf diesem Werk nicht komplett verschwunden gewesen. In "Squirm" beispielsweise flackern eisblaue Soundscapes auf, begleitet von träumerischen Synthesizer-Arabesken. Jedoch sind es auch hier wieder die vertrackten Beats, scheppernden Claps und eine quäkig blubbernde Elektronik, die sich teilweise gegen die Strömung des Songs richten und diesen somit etwas sperriger gestalten.

Das funktioniert manchmal richtig gut. "Nightbeast" lebt beispielsweise von der Spannung zwischen einem in Hall gepackten Piano und fortwährend wabernder Elektronik. Allerdings merkt man dem Album besonders zu Beginn an, dass hier nach einer neuen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeit gesucht wird. "Low Moral Fiber" arbeitet sich an Samples  ab, die zum Teil etwas wahllos in die Komposition reingeworfen worden sind. Und "To Live, Love, Die... Or Kill!" möchte mit seinen Scratchsounds anscheinend insgeheim ein anspruchsvoller HipHop Track sein. Es dauert tatsächlich ein paar Songs, bis man das musikalische Verständnis von Displacer erschlossen hat.

Wie bereits in der Originalversion, sind auch bei der Neuauflage die Remixe ein fester Bestandteil und wurden in der jetzigen Version um sechs weitere Neuabmischungen zum Titeltrack erweitert. Besonderen Eindruck macht von diesen Variationen jener von Snowbeasts, der den Track relativ humorlos mit einem Four-On-The-Floor-Beat ausstattet, während die schneidenden und umhergeisternden Sounds erhalten geblieben sind. Ein bisschen fühlt man sich an die tanzbaren Klangeskapaden von haujobb erinnert, was in diesem Zusammenhang sehr passend ist: Michael Morton hat unter anderem auch mit Daniel Myer zusammengearbeitet.

Der Schere zum Opfer gefallen ist der ESA Remix von "Cage Fighter's Lullaby" - was durchaus Sinn macht, verweist dieser Song ja auf den Vorgänger von "The Witching Hour". Das hat damals funktoniert, jetzt wäre dieser Neuabmischung ziemlich Fehl am Platz. Sie hat daher den Raum frei gemacht für "Communication Breakdown", das auf der Ur-Version von "The Witching Hour" nicht gelistet war. Eine goldrichtige Entscheidung, das Lied mitaufzunehmen, denn hier kann man noch einmal sehen, wie meisterhaft Displacer Trancemelodien beherrscht.

Man merkt "The Witching Hour" seine mehr als 15 Jahre an. Einige Parts wirken altbacken und würden heute anders produziert werden. Michael Morton selbst ist der beste Beweis. Der Mann hat im Mai dieses Jahres den Song "Spy Hunter" veröffentlicht - ein Technotrack, bei dem sich einiges von dem wiederfindet, was der Klangentwickler bereits auf "The Witching Hour" angewendet hat, jedoch viel wuchtiger und dringlicher. Stilistisch hat er damit den Displacer-Klangkosmos nochmal neu abgesteckt.