Diodati - Diem Supremum Obire

Für mich gehört zu einem Teil der Gruftivergangenheit auch die Phase (bei den meisten in der Jugend), in der man sich den schönen Künsten hingab. Da testete man Gedichtsbände statt Steven King, trank Rotwein statt Bier und schloss sich gerne im dunklen Kämmerlein bei Kerzenlicht ein (oder lustwandelte nachts über den Stadtfriedhof) um zu grübeln, zu philosophieren und düster-kitschige Musik anzuhören. Alte Scheiben von Goethes Erben, Sopor Aeternus, Illuminate und vor allem Lacrimosa wurden von tausenden Junggruftis rauf und runter gehört. Was ist aber heute? Was, wenn man in der heutigen Zeit wieder einen solchen Einstieg will? Schwierige Angelegenheit, denn entweder man gewöhnt sich eben daran, dass fast alle Dunkelkunst mit Bässen unterlegt ist, die Texte meist nicht über "Blut Gehirn Massaker" hinauskommen oder man nach alten Fundstücken suchen muss und dann doch wieder bei den älteren Werken der oben genannten landet. Doch was ist das? Das Label, dem ich gerade noch Baller-Bumm-Bumm von Industriegebiet und Neo sowie Anspruchselektro in Form von Gedankenrasen verdanke brachte zeitgleich ein Album heraus, dass so klingt wie.... ja, wie früher eben. Cello, Piano und Kontrabass – das reicht für wohliges Ambiente (ab und an finden sich denoch andere Instrumente). Klassik, Kammermusik, ruhig und abwechslungsreicht komponiert. Mal melancholisch, mal sehnsüchtig, mal mit einem unterschwelligen Gefühl von Bedrohung. Dazu kommt männlicher und weiblicher Gesang, der solide die Texte transportieren kann. Die Texte sind Dreh- und Angelpunkt der Musik bei Diodati – dafür schon einmal allein eine Vorschusslorbeere. Die vorliegenden behandeln allesamt das Thema Tod aus verschiedenen Perspektiven. Dabei findet der Hörer neben selbstverfassten englischen Zeilen auch Versatzstücke bekannter Dichter (Busch und Schiller, vorgetragen von Chamber-Musiker Marcus Testory und Autor Christian von Aster) und 2 Coverversionen (Lili Marleen und das Palästinalied). Tja, und diese Texte sind es dann wohl auch, die über das Mögen und Nichtmögen entscheiden werden. Denn ich erkenne, dass ich über diese Phase des Musikkonsums hinweg bin und deswegen eher Kitsch und Aufgesetztheit höre als Kunst. Zeitgleich bin ich mir aber sicher, dass Diodati all denen, die solche Musik und Lyrik schätzen, eine schöne Zeit bereiten können. Deswegen will ich gar nicht die Güte der Texte bewerten sondern rate all denen, die sich ein "wie früher" wünschen, das Album zu bestellen.

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