Im Sommer 1994 war das. Die Technobewegung hatte schon einige Stilwandel und Kehrtwenden hinter sich, jetzt war Ambient angesagt, nachdem man durch Gabba, Tekkno und immer schnellere bpm's in den Jahren vorher mürbe gemacht wurde. Namen wie Marusha oder Sven Väth waren längst nicht mehr nur in illegalen Clubs in aller Munde, die Musikindustrie hat den Ausverkauf des Massenprodukts „Techno“ schon längst zu ihren Gunsten entschieden. Es muss irgendeine Vorlesung in besagtem Sommer gewesen sein, als ein befreundeter DJ neben mir in der Pause Mixtapes beschriftete und wir folglich ins Gespräch kamen. "Gibt es in der Technoszene nur Kommerz?". Die Antwort war nein und drei Mixtapes mit Namen wie Reload, FSOL, Ken Ishi, Cabaret Voltaire(!), Aphex Twin und allerlei Warp Acts und eben auch zwei Stücke von David Morley. The electronic left-field was opened up! Nachdem 1998 Morley seine bisher einzige CD "Tilted" veröffentlicht hat (neben empfehlenswerten EP's) ist es still geworden. Nicht nur bei Morley. Der Technoboom hat auch sein damaliges Label R&S/Apollo Records erst zu Ruhm gebracht und dann in den Abgrund gerissen. Schade. Der Katalog vom R&S Sublabel Apollo ist ausnahmslos empfehlenswert. Nur um ein paar illustre Namen zu nennen: hier sind z.B. auch die ersten beiden Biosphere Longplayer erschienen, sowie Aphex Twins "Selected Ambient Works". "Ghosts" enthält unveröffentlichte Stücke aus eben dieser Periode: 1990-2000. Hier und da wummern noch "four to the floor" techno beats. Nun gut, wir blicken halt zurück in die 90er, da ist das verzeihlich und glücklicherweise nur die Ausnahme. Dominant allerdings Morleys Markenzeichen: Klangflächen und Arpeggios in typisch klassisch, analogem Flair ohne jedoch an den Epigonen der 70er wie Klaus Schulze kleben zu bleiben! Die Stimmung ist durchweg melancholisch bis düster, zum Teil auch verspielt und seltsam ("Efex"). Das gibt der Musik genügend Tiefe fern von jeglichem chill-out. Am ehesten an die Qualität von "Tilted" kommt das Stück "Link" heran: eine treibenden Mischung aus Ambient und Hip-hop/downbeat Rhythmen. Morley wie auch Andrea Parkers (DJ Kicks/Studio !K7/Touchin Bass/Mo Wax) haben das perfektioniert: fette Drums und Beats meist auf dem ARP erzeugt, einem analogen Synth aus den 70ern der extrem tiefe Bässe erzeugen kann. Da freut sich die Fensterscheibe und die Nachbarschaft: ich hab vorsorglich den Bassregler etwas zurückgedreht. Auf Morleys myspace Seite ist das z.B. bei "tonus" (Stardancer EP) nachzuhören. Auch wenn nicht alle Stücke das Niveau von "Tilted" erreichen, untermauert Morley auch mit dieser CD seine unverwechselbarer Klangästhetik, jenseits von dem was einst der Ausgangspunkt war: Techno. Für die Retro Freaks: im booklet werden alle Geräte aufgelistet, die zu diesem Sound beigetragen haben: Prophet 5, Arp 2500/2600, Buchla, uvm. Pflicht für Fans des elektronischen Ambient.