Kennt Ihr das auch? Man begegnet nach langer Zeit einer Jugendliebe und es knistert immer noch genauso wie früher. So geschehen bei David Bowie und mir. Es war damals Liebe auf den ersten Ton, aber leider mußten zum größten Teil Kassettenaufnahmen vom Radio reichen, da mein Taschengeld bei weitem nicht ausreichte, um mir alle Platten des verehrten Idols anzuschaffen. Umso erfreuter war ich, als mir kürzlich, Jahrzehnte später, die Neuauflage seines 10. Albums „Station To Station“ als dicke 3er CD-Box in den Briefkasten plumpste. Aufgrund meines Geburtsjahrgangs bezog sich die Schwärmerei freilich eher auf die Pop-Phase Bowie's in den 1980ern, als Nummern wie „Let's Dance“ oder „China Girl“ die Charts stürmten, wohingegen die vorliegende Scheibe aus dem Jahre 1976 stammt. Sie markiert quasi eine Zwischenstation von dem von Funk und Soul dominierten Vorgänger „Young Americans“ hin zur sog. „Berlin-Trilogie“ („Low“, „Heroes" und „Lodger"), in denen der Einfluß deutscher Elektronik- und Krautrock-Vorreiter die Oberhand gewann. Insofern ist der Name im Nachhinein mehr als passend gewählt und der eröffnende Titelsong, welcher von den Geräuschen eines Zuges eingeleitet wird und eigentlich erst nach experimentellen 5 Minuten so richtig „in Fahrt“ kommt, fügt sich ebenfalls, wenngleich unabsichtlich, in diesen Kontext ein. Über den Longplayer selbst könnte man nun ganze Aufsätze verfassen (vielleicht gibt’s diese tatsächlich), doch zumindest dessen Hits, das funkige „Golden Years“, das swingende „TVC15“ sowie das melancholische „Wild Is The Wind“, mein persönlicher Favorit, sollten den meisten sicherlich bekannt sein. Deshalb jetzt direkt der Sprung zu dem Teil, der diese Veröffentlichung sogar für die Besitzer der Original-LP interessant macht, dem auf 2 CD's erstmals offiziell verewigten Konzertmitschnitt vom 23. März 1976 aus dem Nassau Coliseum, New York. Einem offensichtlich glänzend aufgelegten Bowie und nicht zuletzt der begleitenden Band, allen voran Gitarrist Carlos Alomar, ist es zu verdanken, daß vier der eben gehörten Songs der Platte in der Live-Version deutlich mehr Drive entwickeln. Es ist eine wahre Freude, wie hier quer durch die Setlist gerockt, gebluest und gefunk't wird und das nicht nur für die seinerzeit Anwesenden, die dies an vielen Stellen lautstark zum Ausdruck bringen, sondern gleichermaßen für die, die anno 2010 vorm heimischen CD-Player sitzen. Man möchte geradezu seine späte Geburt verfluchen, wenn „Suffragettecity“, „Live On Mars?“, „Changes“ oder „Diamonddogs“ in bester Tonqualität aus den Boxen schallen. Wer da noch ruhig auf der Couch verweilt, dem ist wahrscheinlich eh nicht mehr zu helfen. „Station To Station“ ist nach 34 Jahren immer noch ein starkes Stück, ob als Studiowerk, für dessen Wiederveröffentlichung übrigens die Original-Masterbänder verwendet wurden, oder als spritziges Live-Tondokument. Daß sich angesichts dieses Klassikers eine Bewertung geradezu verbietet, versteht sich fast von selbst und daß ich mich sowieso außerstande sehe, meinen großen Teenieschwarm in ein Punkteschema zu pressen, möge mir der geneigte Leser verzeihen. Doch auch für alle, die nur ein wenig in der Vergangenheit schwelgen wollen oder einfach gute Musik mögen, ist die edel aufgemachte Box, welche neben einem Booklet mit ausführlicher Chronik der Jahre 1975/1976 noch ein paar hübsche Bildkärtchen enthält, ein absolutes „Must have“. Für die unersättlichen Bowie-Fans gibt es „Station To Station“ außerdem als „Deluxe Edition" mit 5 CD's, einer Audio DVD sowie 3 Vinyl-LP's.