Wer hätte diese Veröffentlichung noch vor wenigen Jahren für möglich gehalten. Nach ihrem bis dato ausgereiftesten Album „Believe“, kündigten die deutschen Gothic-Metal-Kings ihren Abschied an. Man schickte noch eine Abschieds-DVD/CD hinterher, die einen umfassenden Überblick über den Aufstieg der Jungs (und Mädels), rund um den charismatischen Frontmann Felix, gab. Doch wie es so oft ist, die Hummeln im Hintern nahmen Überhand und so entschied man sich, aus dem endgültigen Abschied eine Kreativpause zu machen und 2004 mit „Revolution“ neue Höhenflieger zu vertreiben und den Thron zurück zu erobern. Die zunehmenden elektronischen Elemente konnten aber nicht alle Fans sofort begeistern. Als nächstes stand das zweite deutsche Album der Bandgeschichte auf dem Plan. „Klagebilder“ konnte überzeugen, wenn auch nicht restlos, da Crematory leider immer noch zu oft in den immer gleichen Songstrukturen quartieren und man Überraschungen mit der Lupe suchen muss. Nun steht seit geraumer Zeit der neueste Streich „Pray“ in den Läden und wartet darauf entdeckt zu werden. Eins vorneweg, Crematory setzen erneut auf altbewährte Tugenden und erfinden sich auf „Pray“ nicht grundsätzlich neu. Doch es gibt gewissen Nuancen die das neue Album zum Besten seit der Rückkehr machen. Gleich der Opener „When Darkness Falls“ kommt mit einer derartigen Dynamik und Power aus den Boxen, wie man es einer Band mit 15 Jahren Bandgeschichte nur schwer zugetraut hätte. Der abwechselnde Gesang von Felix und Matthias trifft punktgenau all die Nerven die in den letzten Jahren seit dem Überhit „The Fallen“ vernachlässigt wurden. Crematory at his best! „Left The Ground“ setzt genau da an und legt hochkarätig nach, bevor mit „Alone“ ein tiefschwarzer und sauschwerer Stampfer ein wenig die Geschwindigkeit herausnimmt. Eine Orgel erklingt, der Sensemann kann nicht weit sein. Das folgende Titelstück „Pray“ ist etwas schneller, kommt aber nicht über gehobenen Crematory-Durchschnitt hinaus. Hoch hinaus kommt der Hörer erst wieder bei dem tollen Doppelpack „Just Words“ und „Burning Bridges“. Während ersteres eine gefühlvolle Ballade darstellt, die dir Gänsehautschauer beschert, drückt dich „Burning Bridges“ voll gegen die Wand und überrascht mit fantasievollen Keyboard-Melodien, die fast schon einen progressiven Einschlag besitzen – wahrlich geil. Als noch Orchester-Elemente dem Song einen Besuch abstatten, weiß man, dass man hier am Höhepunkt angelangt ist. Selten konnte mich ein Song der Gothic-Metal-Urgesteine so positiv überraschen. Dafür bleibt bei den letzten drei Songs alles beim Alten und so wird man mit der Power-Ballade „Say Goodbye“ standesgemäß verabschiedet. Alles beim Alten also? Nicht ganz – Crematory haben es geschafft, mit kleinen aber feinen Änderungen sich weiter zu entwickeln. Die kitschig klebrigen Keyboardmelodien haben sich zurückgezogen und auch die technoartigen Samples mussten einem Mehr an Düsternis und Atmosphäre weichen. Dies steht dem Quintett ausgesprochen gut, so dass „Pray“ auch ganz alte Crematory Fans zufrieden stellen dürfte. Und wer mit „When Darkness Falls“ und „Burning Bridges“ gleich zwei derartige Hammertracks auf eine Scheibe jagt, kann das Beten in Zukunft eigentlich sein lassen...