Kaum eine Formation aus dem Industrial-Untergrund der späten Siebziger wirkt bis heute so schillernd, widersprüchlich und zugleich konsequent wie 'Clock DVA'. Gegründet 1978 in Sheffield von 'Adi Newton' nach seinem Ausstieg bei 'The Future', entstand das Projekt aus einer Mischung aus Science-Fiction-Faszination, okkulten Ideen und einem tiefen Misstrauen gegenüber klassischen Songformen. Schon der Name – inspiriert von Anthony Burgess’ 'A Clockwork Orange' und dem russischen Wort für „zwei“ – deutete an, dass es hier von Beginn an um Dualitäten ging: Kontrolle und Chaos, Mensch und Maschine, Struktur und Auflösung. Nach ersten selbstverlegten Kassetten erschien mit 'White Souls In Black Suits' schließlich das, was 'Clock DVA' selbst als ihr erstes richtiges Album betrachteten – ursprünglich 1980 als Kassette auf 'Industrial Records', dem von 'Throbbing Gristle' betriebenen Label. In den darauffolgenden Jahren blieb dieses frühe Werk eng an seine ursprüngliche Veröffentlichungsform gebunden und war nur noch eingeschränkt zugänglich. Die letzte reguläre Verfügbarkeit datiert aus der Phase um 1990, als Teile des Materials im Rahmen der damaligen LP-Veröffentlichungen auf dem italienischen Label 'Contempo Records' – gegründet 1984 von 'Giampiero Barlotti' – noch einmal in veränderter Reihenfolge und mit leichten editorischen Eingriffen kursierten. Danach verschwand 'White Souls In Black Suits' weitgehend aus dem aktiven Katalog und existierte über Jahrzehnte vor allem als Referenz unter Sammlern und Szene-Kennern. Die nun vorliegende Wiederveröffentlichung im Jahr 2025 macht dieses frühe Werk nach mehr als drei Jahrzehnten erstmals wieder in einer klar strukturierten, kuratierten Form zugänglich und versteht sich weniger als nostalgischer Rückblick denn als überfällige historische Einordnung.
Im Hauptteil zeigt sich 'White Souls In Black Suits' – bereits im Original und bis heute unverändert – als Musik, die sich konsequent jeder klaren Definition entzieht. Schon 1980 war dieses Album weniger eine Sammlung klassischer Stücke als ein zusammenhängender Zustand. Lose strukturiert, stark improvisiert und von einer fast dokumentarischen Kälte durchzogen, wirkt es auch heute noch wie der akustische Mitschnitt eines urbanen Nervenzusammenbruchs. Aufgenommen im Umfeld von Sheffields 'Western Works', dem kreativen Epizentrum von 'Cabaret Voltaire', trägt das Material jenen rauen Geist eines Ortes in sich, an dem Klang weniger produziert als erforscht wurde. Synthesizer, Tape-Manipulationen, Bassfragmente, Bläser und perkussive Andeutungen greifen ineinander, ohne je harmonisch werden zu wollen. Stattdessen entsteht eine spannungsgeladene Atmosphäre, in der Stille ebenso prägend ist wie Klang. Schon damals formulierten 'Clock DVA' hier ein Verständnis von Musik als Beobachtungssystem und psychologischem Raum, nicht als Unterhaltung. Die Nähe zu Sheffields früher Industrial- und Goth-Szene ist allgegenwärtig, ohne je plakativ zu wirken. Alles klingt kühl, kontrolliert und zugleich latent paranoisch – als würde man sich durch eine Stadt bewegen, in der jede Geste registriert wird. Die in dieser Edition zusätzlich enthaltenen Aufnahmen stammen sämtlich aus derselben frühen Phase und waren in unterschiedlicher Form bereits auf der ursprünglichen Kassette von 1980 oder der späteren LP-Fassung um 1990 verteilt. In der aktuellen Doppel-Vinyl-Ausgabe werden sie erstmals klar vom ursprünglichen Albumkontext getrennt präsentiert und als eigenständiger Archivteil sichtbar gemacht. Die neue Abmischung sorgt dabei für mehr Transparenz, ohne die rohe, fragile Energie des ursprünglichen Materials zu glätten.
Im Fazit erweist sich diese Wiederveröffentlichung von 'White Souls In Black Suits' als Pflichttermin für alle, die Industrial nicht als bloßes Genre, sondern als geistige Haltung begreifen. Dieses Release richtet sich an Hörerinnen und Hörer, die bereit sind, sich auf Unschärfen, Leerräume und Irritationen einzulassen. Wer klare Strukturen, eingängige Melodien oder zeitgenössische Neuinterpretationen erwartet, wird hier nicht glücklich. Wer jedoch verstehen möchte, wie sich das frühe Denken von 'Clock DVA' formierte und warum dieses Album als Keimzelle einer der eigenständigsten Karrieren der elektronischen Avantgarde gilt, findet hier ein essenzielles Zeitdokument. Auch als physisches Objekt überzeugt diese limitierte Doppel-Vinyl-Edition: Das graue 12-Zoll-Vinyl unterstreicht den archivarischen Charakter des Releases und macht deutlich, dass es sich hier weniger um ein Komfortprodukt als um eine bewusst kuratierte Wiederbegegnung mit der ursprünglichen Industrial-Ära handelt. Wer sich darauf einlässt, hört hier nicht etwas Neues – sondern etwas, das nie an Relevanz verloren hat.
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Clock DVA - White Souls in Black Suits
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