Die Liste seiner Erfolge ist lang. Sehr lang. Carlos Perón, der in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag feiert, rief die kultig verehrte Schweizer Absurd-Elektronikerkapelle Yello ins Leben und half Wolfsheim in ihrer Anfangsphase mit seiner Expertise. Wenn es um um die Ecke gedachte Synthesizermusik geht, ist der gebürtige Züricher an vorderster Front ausfindig zu machen. Vor allem seine doch recht skurrilen und von jeglichen stilistischen Grenzen befreiten Solo-Werke belegen das. Und alles begann mit "Impersonator".
Dieses Album hat Perón bereits 1981 veröffentlicht. Da musizierte er noch zusammen mit Yello und schuf so unvergessene Gassenhauer wie "Bostich" oder "Bimbo". Dass das Leben innerhalb einer Band aber nicht sein Ding ist, liegt auf der Hand. Mutmaßlich dürfte der Mann einfach zu viele Ideen gehabt haben, die er nicht alle bei Yello verwirklichen konnte. "Impersonator" war damals ein Ausbruch aus diesem Korsett und der erste geglückte Versuch, seine musikalische Vision auf eigene Faust zu realisieren. Wohlwissend, dass da noch was kommt, hat er dem Album eine römische Eins verpasst. Im Laufe der Jahre kamen dann auch weitere Folgen dazu, alle mit surreal-abstrakten Klangkunstwerken und experimentellen Miniaturen, die sicherlich nicht leicht verdaulich waren, aber nach wie vor ihren Reiz besitzen.
Nun geht der Impersonator in die vierte Runde. Erneut kann sich der geneigte Hörer auf einen wilden Ritt durch alle Stile der elektronischen Klangerzeugung einstellen. Doch der Mann scheint im Alter ein wenig von seiner Kantigkeit eingebüßt zu haben. Die avantgardistischen Sounds, die sonst den ganzen Song definierten, ploppen in den Kompositionen wie beuwsst gelegte Störfeuer auf, um die eigentlich konventionellen Klänge aufzubrechen. Es wirkt fast so, als sei dies die letzte Konsequenz im Schaffen des Altmeisters: Die Avantgarde steht nicht mehr für sich allein, weil alles durch ihr gesagt wurde. Nun muss sie das Pop-Moment aufbrechen. So wie beim Stück "I Love Korean Girls", das wie ein dekonstruierter Modern-Talking-Song klingt, oder der grotesken EBM-Persiflage "Nachtstrom mit Angst": Vertraute Muster werden hier durch Übertreibung für den Hörer sichtbar gemacht und - im besten Falle - von ihm in Frage gestellt.
Der Schweizer besitzt das, was man Chuzpe nennt: Er ist kaltschnäuzig genug, sich unterschiedlichen Stilen anzunähern und sie nach seinem Gutdünken einzuverleiben und neu zu formen. Ob nun Psy-Trance ("A Barrel Of A Gun"), angeschmirgelter Neunziger-Pop mit Sprechgesang ("The World Started To Move Slow") oder klassischer House ("What A Wonderful Kiss"): Carlos Perón nimmt sich, was er kriegen kann, und macht sein eigenes Ding daraus. Dennoch wirkt "Impersonator IV" im direkten Vergleich mit seinen Vorgängern relativ handzahm. Bei manchen Stücken wartet man förmlich auf eine kleine Wendung, auf einen erhellenden Aha-Moment. Dieser will sich jedoch nicht wirklich einstellen. Stücke mit beeindruckender klanglichen Intensität wie "Impersonator der Redenschwinger" sind leider Mangelware. Viele Stücke bleiben in der Anfangsphase einer Idee stecken.
Sicherlich zählt dieses Werk nicht zu Peróns besten. Doch ein absoluter Totalausfall ist "Impersonator IV" auch nicht. Die Wahrheit liegt dazwischen: Das musikalische Wissen, das der Elektro-Senior uns hier auftischt, ist bemerkenswert, der freie Umgang mit ihm unterhaltsam. Was fehlt ist eine größere Portion Galligkeit. Letzten Endes muss er aber auch nichts mehr beweisen. Sein Beitrag für die Entwicklung der elektronischen Musik hat er sowieso zur Genüge geleistet.