Es gibt Rezensionen, die möchte man unbeding machen. So ging es mir mit eben diesem Album. Ich hatte es wohlwollend schon vor der Veröffentlichung verfolgt. Das Album besteht überwiegend aus Coverversionen berühmter Songs der 80er Jahre. Songs, deren Veröffentlichung ich quasi selbst miterlebt habe. Beim immer wieder anhören habe ich Tonnen an Kassetten geschrottet, weil die Tapes vom vielfachen Spulen so dünn waren, dass es ständig Bandsalat gab. Aber genug von meinem Alter (Methusalem). Ich freute mich tierisch über die folgende Trackliste:

01 - Wild Boys (Original von Duran Duran), 02 - Forever Young (Original von Alphaville), 03 - Hymn (Original von Ultravox), 04 - Down in the Park (Original von Gary Newman), 05 - Alone (Original von Heart), 06 - Silent Running (Original von Mike and the Mechanics), 07 - Nobodies Diary (Original von Yazoo), 08 - Dr. Mabuse (Original von Propaganda), 09 - The sun always shines on TV (Original von A-HA), 10 - Ship of Fools (Original von Erasure)

Dann gibt es noch "Unsere Zeit" und "Journey to the edge of the night". Dies sind zwei Blutengel-Eigenkompositionen.

Warum macht man als Künstler eine Coverversion von einem Lied? Man sollte eine Coverversion machen, weil man die Originale schätzt, ihnen seinen eigenen Flair geben möchte, weil man die Titel eben mag. Wenn man das so sieht, dann muss Chris Pohl etwas Nachhaltiges gegen jeden einzelnen der gecoverten Songs haben. Was er den Songs angetan hat, das ist eine Schande, anders kann man es nicht sagen. Alle Titel sind in weiten Teilen einfach nur nachgespielt, ohne einen Funken Eigenständigkeit zu beweisen. Das ist zu jeder Sekunde herz- und lieblos. Offenbar verstand Chris in keinem Moment, was die Originalversionen zu Hits gemacht hat, denn genau diese Zutaten hat er zielgerichtet weggelassen. Kennt ihr Demoversionen mancher Songs? Das sind Gerüste, die auf billigste Art und Weise, meist in Homerecording, aufgenommen werden, um sie dann im Studio auszufeilen und die fertige Feinarbeit zu veröffentlichen. Man könnte fast meinen, Blutengel haben in den Mülleimern der Bands gekramt und genau diese billigen Demos ohne weitere Abmischung mit Gesang versehen. Da ist z.B. "Wild Boys", der wie eine Karaoke-Version aus einer billigen Berliner Hinterhof-Bar daherkommt. Dabei versucht Chris in jedem Lied so gewollt gut englisch zu singen, dass es beinahe wehtut. So artikuliert sich ein Grundschüler, der seiner Lehrerin beweisen will, wie perfekt verständlich seine Aussprache ist. In einem Song, der mitreißen soll, klingt das aber einfach unpassend. "Down in the Park" würde tatsächlich einee Reaktion von Gary Newman rechtfertigen. Jedes Gericht dieser Welt würde hier auf Notwehr erkennen. "Alone" ist mit dem dünnen Stimmchen von Ulrike Goldmann nicht den Speicherplatz wert, den es verschlingt. Das Gleiche gilt für "Nobodies Diary", dass einer persönlichen Beleidigung Alison Moyet`s und damit auch Yazoo`s gleichkommt. Der arme Vince Clarke ist doppelt gebeutelt, hat sich Blutengel doch auch an Erasures "Ship of Fools" vergriffen und daraus einen C64-Jahrmarkt-Heuler gemacht. Und so setzt sich das fort. Aber der größte Missgriff ist "The Sun always shines on TV". Ich hatte vor einigen Jahren die große Ehre A-HA in Dresden auf den Elbwiesen live erleben zu dürfen. Der Opener war "The sun always shines on TV". Dies ist seitdem einer meiner wunderbarsten Konzertmomente, den ich nie vergessen werde. Ich liebe dieses Lied mit jeder Faser meines Musikempfindens. Diese Version hier ist langweilig, öde, emotionslos gesungen und von der Geschwindigkeit zerstörerisch heruntergeschraubt. Ich weiß nicht, was sich Chris dabei gedacht hat, diesen Song derart zu zerstören. Man kann zu And One sagen, was man möchte, aber sie hatten 2008 eine tolle Live-Version von "The sun always shines on TV". Zwar war diese nicht annähernd am perfekten Original, aber man konnte And One anhören, wie sehr sie das Original schätzen. Ihnen gelang es genau das rüberzubringen. Blutengel gelingt das nicht.

Doch kommen wir zu den beiden eigenen Titeln, die ja auch noch drauf sind. Bei " Unsere Zeit" lugt Carmen Nebel um die Ecke und lädt Chris Pohl gleich zur nächsten Schlagerparty ein.  "Journey to the edge of the night" ist dann ein 08/15 Instrumental-Track, der vergessenwert ans Ende gesetzt wurde, wahrscheinlich weil noch Platz war.

Kommen wir zum (wahrscheinlich) ausufernden Schluß. Warum habe ich die Titel oben mit Originalinterpreten aufgelistet? Leute, besorgt euch die Originalversionen, stellt euch selbst einen Sampler zusammen und feiert ihn! Jeder einzelne Titel ist im Original gut, hittauglich und atmet die 80er. Diese Veröffentlichung von Blutengel ist einfach nur mangelhaft und ich lehne sie sie mit jedem Atom meines Körpers ab. Selten habe ich eine lieblosere, unempathischere, dilletantischere Aneinanderreihung von Machwerken erlebt. So etwas erwarte ich nicht einmal von Newcomerbands. Aber die wissen wenigstens oftmals besser, wie man eine gute Neuinterpretation macht. Alles, wirklich alles, ist besser als dieses Coveralbum von Blutengel. Selbst eine Darmspiegelung würde ich vorziehen. Ich werde nichts verlinken, weil ich nicht Gefahr laufen möchte, daran beteiligt zu sein, sollte dieses Album in irgendeiner Weise Beachtung finden. Es ist schade, um alle Ressourcen, die die Herstellung und der Vertrieb des Albums verschlungen hat. Ich bin nicht oft so direkt, aber etwas anderes hat "Fountain of Destiny" auch nicht verdient. Ihr wollt gute Coverversionen? Hier sind ein paar: Sinèad O`Connor "Nothing compares to you", Marilyn Manson - "Sweet Dreams (are made of this)", Dreadful Shadows - "Twist in my Sobriety", Limp Bizkit - "Behind blue Eyes", The Bates - "Blillie Jean", Disturbed - "The sound of silence", Bad Wolves - "Zombie", Adele - "Lovesong". Und darum verlinke ich unten auch "Billie Jean" von den Bates, ruhe in Frieden olle Zimbl und och olle Michael!