Was für viele Menschen der Summer of 69 ist, war für mich vielleicht eher der Winter of 95; eine Zeit in der ich so manchen Horizont erweiterte, indem ich in meinem Studium mal locker ein Trimester in London einschob und dort im runtergekommenen, kleinbürgerlichen Vorort Staines bei einer indischen Famlie zur Untermiete wohnte. Mit ‚What’s the story moning Glory’ und ‚The great Escape’ sollte die Fehde der beiden großen Verfechter des Genres zu dieser Zeit einen Höhepunkt finden, während Pulp für mich als die großen Sieger aus dem Hintergrund hervor schossen um mit den zwei legendären ausverkauften Konzerten in der Brixton Academy Weichnachten auch für mich um einige Tage vorzuverlegen, bevor’s mit meinem Kumpels Dirk und Holger wieder ab in die Heimat zu Mutti unter den Weihnachtsbaum ging. Die Stimmung damals in London war bombastisch, die Allnighter im Marquee mit dem anschließend obligatorischen, auch von Herrn Cocker besungenen Cappucino in der Bar Italia in Soho grandios. Dass das alles so aufging, dazu haben auch Blur ihren Teil beigetragen. Denn ‚The Great Escape’ lieferte neben Dodgy’s ‚Homegrown’ den poppigen Teil der Brits, so poppig, dass sogar die Pet Shop Boys es sich nicht nehmen ließen ‚Boys and Girls’ vom Vorgänger ‚Parklife’ zu remixen. Blur auf dieses Album zu reduzieren wäre jedoch schade, denn die unverkennbaren Gitarrenpop-Songs auf Chemical World bleiben Klassiker genauso wie ‚Death of a Party’ auf Album fünf oder das Lennon-inspirierte ‚Tender’ des Longplayers ‚13’. Breit aufgestellt mit epischen Balladen wie ‚This is a low’ bis hin zur Mosher-Hymne ‚Song 2’ bringen die Jungs alles authentisch auf Band und auch live können die Buben ihre Musik verkaufen. Irgendwie war doch alles besser als Damon Albarn als echter Mensch und Musiker im Geschäft war bevor er den Gorillaz sein kompositorisches Können und seine Stimme entlieh. Klar auch die vom Tank Girl animierten Cyberrocker waren nicht übel, aber ehrlicher Gitarrenpop ist mir da doch ein ganzes Stück lieber. 2009 gibt es die längst überfällige Reunion mit Headliner Slot in Glastonbury und was bietet sich da mehr an als eine weitere Best-Of herauszubringen. Diesmal heißt sie ‚Midlife – A Beginners Guide to Blur’. Fünfundzwanzig Songs sind enthalten, fünfundzwanzig Songs die teilweise eine andere Seite der vier Britpopper zeigt als man sie kennt, denn die verkitschte Hymne ‚Country House’ vom vierten Longplayer sucht man vergebens genauso wie die Singles ‚Sunday Sunday’ oder ‚Charmless Man’. Nur etwa die Hälfte der Songs wurde je ausgekoppelt, aufgefüllt wird mit würdigen Album Tracks. Auch der Trainspotting-Beitrag ‚Sing’ hat es auf CD1 geschafft und erfreulicherweise versteckt sich hinter der einfach als ‚For Tomorrow’ angekündigten Nummer die ‚Primrose Hill’ Maxi Version. Eine schöne Zusammenstellung die es schafft schlüssig und musikalisch wertvoll zu wirken und die Beiträge aufzureihen, die es auch im Jahr 2009 zeitgemäß klingen. Sicherlich wäre die ein oder andere unveröffentlichte Perle oder ein neuer Song ein feiner Zug gewesen, und das ist es auch was den etwas faden Kommerzgeschmack hinterlässt. Nichts Neues für Fans also, aber eine gute Compilation für die offiziell adressierten Beginners (für die das Ganze dann auch noch ein Sternchen mehr wert sein wird).