Im Jahr 2000 in Deutschland erstmalig auf Trisol veröffentlicht, dokumentiert "Heretic Angels" einen Ausschnitt aus der 99er-Tour durch die USA. Für die Wiederveröffentlichung auf dem eigenen Label wurde das Album musikalisch wie technisch einem kleinen Facelifting unterzogen und erscheint nun mit neuem Cover, aber unveränderter Tracklist. Die berühmte The Jeopardy Maze-Tour führte Attrition durch Boston, San Francisco, Chicago und etliche Städte mehr. Das Besondere an "Heretic Angels" ist, dass das Album keinen vollständigen Auftritt an einem Abend dokumentiert, sondern elf Stücke von sieben verschiedenen Auftrittsorten. Dies führt allerdings unweigerlich dazu, dass auf dem Album keine in sich geschlossene Live-Atmosphäre, die sich über einen Abend hinweg entwickelt, mitschwingt, sondern lediglich mal hier, mal da Publikumsreaktionen und Nebengeräusche zu hören sind. Das Gefühl der Interaktion zwischen Band und Publikum bleibt damit fast vollständig aus, das ist schade. Wer damals aber eines der Konzerte besucht hatte, bekam ein anspruchsvolles, ausgesprochen elektronisches und mit vielen Hits gespicktes Set geboten, bei dem die neue Sängerin Christine Reid live von ihrem Können überzeugen durfte, nachdem Julia Waller Attrition verlassen hatte. Von drei Gastmusikern an den Synthesizern und Keyboards sowie soundtechnisch unterstützt, gelingt es Martin Bowes spielend, die für Attrition so typische dunkle, mystische Stimmung zu schaffen und ausgefeilte Kompositionen live darzubieten: Nach der Begrüßung eröffnen Attrition den Auftritt mit dem langsamen, melancholischen Streicherintro "Prelude", das fast nahtlos in "Acid Tongue" übergeht und im psychedelischem, gemäßigtem Midtempo verweilt. Eingebettet in eine düstere, fast schon gruselige Stimmung, überzeugt Christine Reid durch ihre kraftvolle, energische Stimme – ein schöner melodischer Gegenpart zu Martin Bowes' dunklem, leisem, fast schon grummeligen Gesang. "Right Hand Man" wirkt hingegen etwas lebendiger, wiegt den Hörer aber immer noch in dunklen elektronisch-minimalistischen Klanggefilden, welche sich von den jeweiligen Originalversionen deutlich unterscheiden. Weiter geht es mit "Atomzier", das nun recht nah am Original bleibt, gefolgt vom exzentrischen "The Second Hand" sowie dem von Christine Reid verschwörerisch interpretierten Hit "I am (Eternity)". "Lip Sync" und "The Mercy Machine" sind zwar weit davon entfernt, gefällig zu wirken, legen aber – auch durch das hochgeschraubte Tempo – zusätzlich eine Menge Energie in den Auftritt und dürften spätestens jetzt tanzwilliges Publikum auf den Plan rufen. Doch da neigt sich das Live-Album auch schon dem Ende zu und ein wichtiger Song war noch nicht zu hören. Doch er soll natürlich nicht fehlen: Mit dem populären "A Girl called Harmony", eingebettet in eine liebliche, an ein Spinett erinnernde Melodie beschließen Attrition den Konzertabend und entlassen ein nun kurz hörbar begeistertes Publikum in die schwarze Nacht. Obwohl sich wie bereits beschrieben im Verlauf des Albums kein wirkliches Live-Feeling einstellt und die relativ kurze Spielzeit die Freude etwas trübt, machen die schönen Interpretationen den Kauf von "Heretic Angels" durchaus lohnenswert und zu einem Erlebnis.