Auf gewisse Art und Weise ist Anne Clark, DIE "Grande Dame" der New Wave, nie richtig weg gewesen. Auch wenn sie dem Musikbusiness schon lange mehr als nur kritisch gegenüber stand, so hat es sie doch immer wieder zurück in eben jenes getrieben. Zwar ist ihr letztes richtiges Album mehr als 13 Jahre alt, doch Kooperationen mit Implant oder Blank & Jones, das "Rilke-Album" "Just After Sunset" mit Martyn Bates, das herausragende Livealbum "From The Heart" und die darauffolgenden Touren haben immer wieder bewiesen, dass Anne Clark noch voller Energie steckt und auch immer noch das Bedürfnis hat, ihre Botschaft den Menschen näher zu bringen.

So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass nun mit "The Smallest Acts Of Kindness" endlich ein neues Werk der Ausnahmekünstlerin das Licht dieser Welt erblickt. Spätestens seit dem 91er Album "Unstill Life" sind akustische Klänge ein fester Kontrapunkt zu der kühlen Elektronik auf ihren Alben und dies setzt sich auch auf "The Smallest Acts Of Kindness" unterstützt von den Musikern mit denen sie seit mehreren Jahren zusammenarbeitet, allen voran Manuel Richter aka Xabec und Jeff Aug, nahtlos fort. Mehr noch, dieses Album ist ein absolut stimmiger Nachfolger zum 95er Album "To Love And Be Loved" und fährt in gewisser Weise dort fort, wo das letzte Album endete.

So paaren sich auf "The Smallest Acts Of Kindness" erneut Akustik und Elektronik und erschaffen mitreissende und teilweise berührende Songs. Herausragend hier "Know", ein Lied für Anne Clarks jüngst verstorbene Mutter oder "Psalm", eine mitreissende Abrechnung mit Religionen per se. Der Opener "Nothing Going On", "The Hardest Heart", "Off Grid", "Boy Racing" und die elektronischeren "Prayer Before Birth" und "Full Moon" sind mitreissende leidenschaftliche Tracks, die auf der anstehenden Tour sicherlich auch das Publikum begeistern werden. "Full Moon" dürfte auch vielen schon über das Video bei MTV bekannt sein und wird sicherlich auch auf den Playlists einiger DJs auftauchen, ist aber bei weitem nicht repräsentativ für den Klang von "The Smallest Acts Of Kindness".

Auch die ruhigeren Songs "Waiting" oder das gospelhafte "As Soon As I Get Home" entfalten eine ganz eigene Wirkung: Wie immer hat die Art von Anne Clarks Performance daran einen grossen Anteil, doch auch die Qualität und Virtuosität ihrer Musiker kann hier nicht genügend gewürdigt werden. "If", der hypnotisch-technoide finale Track auf dem Silberling ist ein würdiger Abschluss für ein mehr als gelungenes Comeback-Album. Textlich ist bei Anne Clark längst nicht mehr alles Weltschmerz, aber das war auch schon auf den Vorgängeralben deutlich zu Tage getreten.

Auf diesem Album gibt die Wave-Poetin wohl am meisten von sich preis und gewährt ihrem Publikum einen Blick in ihr Innerstes. Ein reifes Album, ein Meilenstein - das Spätwerk der Anne Clark ist schon jetzt ein Klassiker. In Zeiten schnellen Konsums, immer grösserer Effekthascherei und kürzerer Produktzyklen aber wird ihm wohl leider nur wenig Aufmerksamkeit zu teil werden: Eine Schande. Wer die Zeit und die Musse hat, sich auf dieses Album einzulassen, wird mit reichhaltigem Hörvergnügen und schönen Worten belohnt werden. Ein Hochgenuss.