Anne Clark - Sleeper In Metropolis 3000

Anne Clark - Sleeper In...

Seit geraumer Zeit stelle ich mir immer wieder dieselbe Frage: Warum? Warum ist es ausgerechnet jetzt, wo die Erinnerungen an die goldenen Achtziger langsam verblassen könnten, notwendig, dass eine endlose Welle des "Retro-Revivals" über unser Land schwappt? Diese Welle ist nicht nur unaufhaltsam, sondern auch mit einer gehörigen Portion Nostalgie-Sauce übergossen. Alles, was einst von der breiten Masse in die Schubladen des Vergessens, der Gleichgültigkeit oder des gepflegten „Schwamm drüber“ verbannt wurde, wird plötzlich wieder hervorgekramt – und mit einer Vehemenz gehypt, die man sonst nur von Virals auf TikTok kennt.

Besonders die Musikszene scheint diesem Trend erlegen zu sein. Da stürzen sich jetzt selbsternannte und oft übereifrige Dance- und Techno-DJs – wohlgemerkt, viele von ihnen selbst Kinder der 80er! – auf die Klassiker dieser Ära. Mit einer Mischung aus Ehrfurcht und brachialem Eifer machen sie sich ans Werk, um musikalische Perlen dieser Zeit neu zu interpretieren. Das Ergebnis? Nicht selten eine Verstümmelung bis zur Unkenntlichkeit. Nehmen wir DJ Hell, dem ich diese Eskapaden zwar großzügig verzeihe – der Mann versteht immerhin sein Handwerk! – oder André Visior, der sich an Yazoo’s „Don’t Go“ versuchte. Und dann war da noch dieses Depeche-Mode-Stück, das vor Kurzem von irgendeinem DJ-Kollektiv so gnadenlos ver-remixt wurde, dass ich den Titel inzwischen erfolgreich verdrängt habe.

Doch es geht noch weiter: Blank & Jones haben sich kürzlich Anne Clarks „The Hardest Heart“ vorgenommen und – wie soll ich es sagen? – daraus etwas gemacht, das ich lieber nicht als Kunstwerk bezeichnen würde. Aber der Gipfel dieser Remix-Orgie liegt nun vor mir: „Sleeper in Metropolis 3000“. Ja, der Song, der mittlerweile wohl seinen hunderttausendsten Remix-Versuch erlebt hat. Das Original von 1983 ist ein Meilenstein der britischen New-Wave-Poetin Anne Clark und, zumindest für mich, ein unantastbarer Klassiker. Und doch: Auch wenn „Sleeper in Metropolis“ niemals wirklich von den Tanzflächen verschwunden war – selbst in den hintersten Ecken Deutschlands hörte man den Track gelegentlich in Dorfdiscos, sei es aus gutem Geschmack des DJs oder aus Barmherzigkeit gegenüber den Musikwünschen mittdreißiger Nostalgiker – kommt jetzt diese Neuauflage mit voller Wucht.

Ein Blick auf die Homepage des Senders VOX genügt, um das Ausmaß dieser Neuinterpretation zu erfassen. Dort heißt es: „Als 'Sleeper in Metropolis 3000' bricht der Song nun mit ganzer Macht in einem fetten Dance-Remix auf die Floors und beweist damit die universale Zeitlosigkeit Anne Clarks, die den musikalischen Strömungen immer ein Stück voraus ist.“ Aha. Zeitlos also. Für mich klingt es eher zeitgeistig und auf „modern“ getrimmt – speziell für Teenies, die vermutlich weder wissen, wer Anne Clark ist, noch, was „New Wave“ überhaupt bedeutet.

Um es klarzustellen: Wirklich schlecht ist diese Remix-Single nicht. Die Ausnahme? Der Marco Remus Remix. Marco Remus, der sich übrigens auch schon an Bauhaus’ „Bela Lugosi’s Dead“ vergriffen hat (mein Herz blutet immer noch), liefert hier einen Remix ab, der mich fatal an den unerträglichen „Flat Beat“-Sound von Mr. Oizo erinnert. Dennoch gibt es auch Positives: Als Bonus findet sich auf der Maxi der Track „5.30AM“, der mich versöhnlich stimmt.

Übrigens: Vor nicht allzu langer Zeit ertappte ich mich dabei, wie ich in einem Münchner Pop!-Club selbst die Hüften zu „Sleeper in Metropolis 3000“ schwang. O.k., ich gebe es zu, ich bin schwach geworden. Aber eins musste dennoch sein: Das klebrige VOX-Logo auf dem CD-Cover habe ich sofort entfernt. Schwamm drüber.

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