Die Lyrik von Anne Clark wurde musikalisch stets geprägt von ihren Mitstreitern David Harrow, Martyn Bates & auch Jan Pieter Blank. Gleiches trifft seit 2001 ebenso auf ihre Band, bestehend aus Jeff Aug, Niko Lai, Murat Parlak, Jann Michael Engel & letztlich Rainer von Vielen, zu. Gegenseitig hat man sich von gefühlvoll puristischen Akustikversionen zur perfekten Symbiose von Downtempo & modernem experimentellem Pop gespielt.

Diese Band war (man muss ja jetzt in der Vergangenheit davon sprechen) nicht nur eine gesichtslose Begleitung. Jeder ein virtuoser Solist, stellte seine Live-Qualitäten auch auf den Konzerten heraus, & war dennoch ein Teil des einzigartigen Mikrokosmos um die kleine große Poetin. Die Tour zum gemeinsam eingespielten The Smallest Acts Of Kindness Album verdeutlichte diese tiefe musikalische Freundschaft augenscheinlich & war quasi der Beleg dafür wie breit ein musikalischer Tellerrand doch sein kann... wenn man eine gemeinsame Leidenschaft teilt, wenn man die Seele seiner Zuhörer im Innersten berühren will. All das fängt die CD zur limitierten Erstauflage der DVD, mit deutlich verkürzter Setlist & Schwerpunkt auf dem aktuellen Album, ein. Die Weiterentwicklung der harmonischen, aber ausgeklügelten Kompositionen der CD, die sympathische & natürliche Ausstrahlung der Band, die faszinierende Energie von Anne Clark. Diese Bonus-CD ist ein Almanach, ein must have für Alle, welche tonale / lyrische Leckerbissen zu schätzen wissen & weit mehr als nur Straftänze drauf haben.

Es gibt Dinge, die kann man mit gewöhnlichen Mitteln einfach nicht erklären & es gibt Dinge, die man selbst mit hohem technischen Aufwand nicht 1:1 wiedergeben kann. Beides trifft wohl auf die Atmosphäre eines Anne Clark Konzertes zu. Musik-DVDs könnten die schönsten Momente im Leben eines Fans beliebig oft reproduzieren, aber sie sind immer ein schwieriges Unterfangen. Gerade wenn es sich dabei um ein Konzert handelt dessen Dreh & Angelpunkt die brilliante Interaktion von Musikern ist - welche auf hektische Nebenschauplätze, provokantes Styling & wilde Bühnenbauten verzichten können... Regisseur Claus Withopf filmte das Konzert in Mainz mit 9 Kameras gegen Ende des 2008er Teils der Tour ab & gibt es nun 1:1,78 wieder. Bildformat. Genau... um Bild & Format geht es doch bei einer DVD!

Man sollte bitte niemals den Fehler machen & eine DVD schon 2 Stunden nach dem Konzert in den Player legen. Es liegt leider in der Natur dieses Experiments, dass es auch gewaltig scheitern kann. Das gerade erst erlebte Feuerwerk erscheint auf dem Bildschirm nur noch als irgendwie kontrolliertes Grillfest. Auch mit einer Woche Abstand ändert sich an diesem ersten Eindruck nicht viel. Woran liegt es? Eigentlich hat diese DVD doch alles was es braucht... die vollständige Wiedergabe des Konzertes an sich. Das Konzert beginnt damit, dass die Musiker die Bühne betreten, alle Songs, alle Ansagen, Überleitungen, Beifall & Kreischen des Publikums, die Zugaben, unser lieber Kollege Ralf beim tanzen... alles ist ungefiltert enthalten & am Ende verlässt Anne Clark nebst Band unter Ovationen wieder die Bühne. Fertig...! Anne Clark darf man sicher als direkt & puristisch bezeichnen... aber muss man dieses Konzept auch orthodox auf eine DVD ausweiten? Fangen wir mal von Außen an: Der Schuber des Digi Books ist aus halb so starker Kartonage wie die einer Frühstücks-Zerealien-Packung gefertigt & bildet 1:1 das Cover & die Rückseite des darin enthaltenen Digi Book ab. Dafür verzichtet dieses gänzlich auf ein Booklet. Aha!? Der Titel sagt: Live in Germany. Jetzt wirds schwierig... Eigentlich hätte es ja Live In Mainz lauten müssen, noch besser gesagt: Live Im Mainzer Frankfurter Hof. Von Germany, Mainz & dem Frankfurter Hof ist aber, bis auf die Bühnenbretter, rein gar nix auf dieser DVD zu sehen. Wenn mir Ralf nicht glaubhaft versichert hätte, das da beim Mainzer Konzert ein riesiger Kamera-Kran anwesend war... hätte man wild spekulieren können ob dieses Konzert nicht ebenso gefakt wurde wie das "MTV Ungplugged in New York" der Sportfreunde Stiller. Letzteres wurde in den Kulissen der Bavaria Filmstudios Geiselgasteig gedreht...

Aber wieder zurück zu dieser DVD. Das vorweihnachtliche Mainz, insbesondere der Dom-Platz, wäre ein besonders schöner Ort für ein additionales DVD-Feature gewesen. Der historische Saalbau des Frankfurter Hofes selbst, mit seiner langen literarischen & kulturellen Tradition... oder Anne Clark in der sich an jedes Konzert anschließenden Interaktion mit ihren Fans. Nichts davon findet sich auf den noch verbliebenen 3 Gigabyte Speichervolumen der Scheibe. Das verwundert insbesondere deshalb, weil Claus Withopf ja auch eine halbstündige Dokumentation über Anne Clark gedreht hat! Auch für die Lyrics als Untertitel, sei es nun muttersprachlich oder in deutscher Übersetzung, war bis zum Mastering anfang Julei 2009 keine Zeit mehr. Okay, er & MMM Film kommen eigentlich aus der Dokumentar- / Arthaus-Film Sparte. Da läuft wohl noch alles in echt & ohne bunten Zuckerguß... Apropos bunt, die Verpackung sagt FULL HD. Nicht schlecht... aber es ist doch eine DVD?! Das Bild kommt hier in einer realen physikalischen Auflösung von 1024 × 576 Square-Pixel, perfektem 16:9 für LCD-Boliden im Wohnzimmer & neumodischen Breitwand-Monitoren im Arbeitszimmer von der Scheibe. Dank anamorphem Mastering sollte es auch gut auf Omas alter 4:3 Röhre, in der Gartenlaube, sichtbar sein. Das ist viel mehr Auflösung als auf einer gewohnt "normalen" DVD. Das ist PAL Widescreen vom Feinsten, knackig scharf & mit etwas zu hartem Kontrast... aber definitiv kein Full HD.

Was solls, das wichtigste ist eh der Klang. In Klang lässt sich investieren, über Klang lässt sich streiten. Der kommt nun in Dolby Digital Surround EX 6.1... endlich hört die dröge Fastenzeit (ich sage mal nur: Zillo Heft-DVD ;-) für den Receiver auf! Der gematrixte Bitstream sendet zwar hörbar gute räumliche Signale ans Center & die Back Surround Speaker, die einzelnen Instrumente werden aber nur wenig in der Tiefe gestaffelt & sind damit nicht wirklich so hörbar wie sie vor Ort auf der Bühne aufgebaut worden sind. Selbst die Baumarktvariante eines Surround-Systems kann hier dank des vorsoglichen Flags für 5.1 recht gut mithalten & die Stereo-Spur vermittelt am Ende dann doch den meisten Druck! Aber kommen wir endlich mal zum Knackpunkt - der abgebildeten, eingefangenen Atmosphäre. Als Fazit könnte man sagen: diese DVD ist vielleicht eine Referenz in Sachen Konzert-Dokumentation. Sie verzichtet vollends auf wilde Kamerafahrten, schnelle Schnitte & unsägliche hektische Digicams die immer von unten aufs eventuell vorhandene Doppelkinn der Akteure zielen. Die Songauswahl & die Eingliederung des Solo-Part von Rainer von Vielen, wurde von einer glücklichen Hand begleitet. Aber sie ist nicht: Iron Takes The Place Of Air - Live In Berlin. Dieses erste, 1992 bei SPV erschienen, Anne Clark Live-VHS-Tape war nicht nur im Namen etwas ehrlicher... Da aber jetzt kaum einer in den Keller rennt um den alten Videorecorder zu reaktivieren, bleiben wir besser bei dieser Scheibe. Und diese ist beleibe kein Ruhmesblatt für Cutterin Lea Römer. Lediglich bei "If", "Sleeper In Metropolis" & "Our Darkness" ist es gelungen Detailaufnahmen an den richtigen Stellen zu zeigen. Hier überträgt sich die musikalische Spannung & sogar die Rhythmik perfekt in die Bildsprache... hebt diese 3 Tracks dadurch sehentlich hervor.

Beim letzten Track bekommt man dann auch mal etwas mehr vom Publikum zu sehen, mehr als nur die viel zu oft sichtbare 60 % bildschirmfüllende homogene dunkle Masse. Ansonsten verliert sich der Cut in Overlays mit Unschärfen welche mit der Zeit erzwungen selbstzweckhaft wirken & eigenartiger nicht goldiger Bildausschnitte die z.B. Jeff Aug immer nur mit einer Hand und einer handvoll Saiten zeigen. Von der Dynamik der Band ist nur selten etwas erhascht worden & die Versuche in Sachen großformatger Slideshow-Effekte wirken dann auf die Dauer doch etwas ermüdend... Authentizität lässt sich jedoch nicht beschneiden & ich meckere hier vielleicht auf einem viel zu hohem Niveau ;-)