Alphaxone - Archiphenom

Alphaxone - Archiphenom

Man kann sich kaum eine unwahrscheinlichere Quelle für tiefdüstere Ambient-Sounds vorstellen als die vielstimmigen Straßenschluchten von Teheran, und doch stammt genau von dort das Ein-Mann-Projekt Alphaxone, hinter dem der iranische Klangkünstler Mehdi Saleh steckt. Mit „Archiphenom“, erschienen am 21. Dezember 2024, serviert er uns eine halbstündige Dark-Ambient-Expedition, die uns in paranormale Klanglandschaften entführt. Bereits nach den ersten ruhigen Takten zieht einen dieser endlose, allumfassende Drone in seinen Bann wie ein bodenloser Strudel – sehr passend für ein Genre, in dem man nicht einfach nur Musik hört, sondern sich ihr komplett ausliefert. Für uns ist es das erste Release dieser Art aus Iran, was die Sache noch reizvoller macht: Man spürt irgendwo unter den dicht geschichteten Soundwällen die pulsierende Energie des urbanen Treibens und gleichzeitig jene tiefgründige Mystik, die den Nahen Osten seit Jahrhunderten umgibt.

Wer sich auf diese Reise einlässt, sollte wissen, dass hier keine klassischen Songstrukturen warten. Ein Track, 30 Minuten, weit und breit keine ordentliche Strophe oder wiedererkennbare Hook in Sicht – und das ist auch gut so. Dark Ambient speist sich aus dem Spiel mit Spannung und Erwartung, dem Flüstern hinter verschlossenen Türen, dem Brummen unsichtbarer Maschinen und ungreifbaren Melodien, die kurz aufblitzen und dann wieder verschwinden. Mehdi Saleh beherrscht dabei die Kunst des Klangschichtens wie ein Architekt, der die düstersten Entwürfe für eine Kathedrale aus Hall und Nebel anfertigt. Man meint fast, Gesichter im Rauschen zu erkennen, die im nächsten Moment wieder vergehen, ein bisschen so, als würde man nachts durch Geistergassen schlendern – nur dass einen hier keine streunenden Katzen oder klapprigen Mopeds, sondern körperlose Frequenzen und bedrohliche Obertöne verfolgen. Die Produktion ist glasklar, was für eine regelrechte Ohrmassage sorgt: Kopfhörer aufsetzen, Augen schließen und schon wird man vom Sound und den mäandernden Flächen regelrecht umschlungen.

Tatsächlich überrascht mich immer noch, wie kurzweilig dreißig Minuten sein können wenn sie mit so viel Liebe zum Detail ausgestaltet werden. Ganz ehrlich: Hätte mir jemand gesagt, ich würde mich freiwillig auf einen einzigen Track einlassen und währenddessen keinen Moment Langeweile verspüren, ich hätte vermutlich die Augenbrauen gehoben. Doch „Archiphenom“ schlängelt sich gemächlich in Kopf und Herz, lässt einen gerade genug atmen, um nicht gänzlich in der Finsternis zu versinken, und bietet trotzdem reichlich Anreiz, immer tiefer zu horchen.

Für Dark-Ambient-Fans, die das Unbekannte, Bedrohliche und dennoch Subtil-Meditative schätzen, ist dieses Release meines Erachtens eine klare Empfehlung. Man bekommt hier nicht nur einen gekonnten, dunklen Soundtrip geboten, sondern auch einen kulturell spannenden Einblick in einen Teil der Welt, den man in diesem Genre vielleicht nicht als Erstes erwartet hätte. Kurz gesagt: Wer bereit ist, sich von archaischen Klängen in finstere Traumwelten entführen zu lassen, sollte bei Mehdi Salehs Alphaxone unbedingt mal reinhören.

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