Viele Dark Ambient Projekte klingen nur so, als würden sie direkt der Hölle entstammen. Nina Kernicke liefert mit "Hel" gleich eine ganze Reisebeschreibung ab, vom Weltenbaum Yggdrasil hinab in die Unterwelt Hel und zur gleichnamigen Göttin, deren Haut zur Hälfte blau-schwarz ist, da sie halb tot und halb lebendig ist. Nina Kernickes bewegt sich neben ihrer Arbeit für Troum und ihrem Projekt All Sides mit ihrem Projekt namens Allseits und dessen ersten Album in der nordischen Mythologie. Betrachtet man die Titel der einzelnen Stücke genauer, erkennt man den vorbestimmten Weg in die Totenwelt, aus der bekanntlich niemand wieder zurückkehrt. Also Vorsicht, es wird gruselig! Am Fuße der Esche Yggdrasil mit ihren drei Wurzeln beginnt die Reise. Der gleichnamige, erste Song besitzt eine tiefe, schwermütige Melodie und hat etwas leicht Bedrohliches an sich, so als ob er eine Warnung aussprechen will oder ob der Gefährlichkeit der angetretenen Reise weiß. Der Todesfluss Gjöll, der entlang der menschlichen Welt und direkt zur Hel fließt ist nun zu überqueren. Das Stück "Gjöll" wird denn auch gleich noch düsterer, wenngleich schon "Yggdrasil" eine gewisse Finsternis besaß. Die Drones im Hintergrund sorgen für die nötige Beunruhigung, die entfremdete Gitarre im Vordergrund für Unbehagen. Spätestens jetzt dürfte klar sein, dass der eingeschlagene Weg nicht gemütlich wird. Schließlich muss der Reisende nun über die goldene Brücke Gjallarbrú gehen, die von der Riesin Modgudr bewacht wird. Mit dem Passieren der Riesin ist die Unabwendbarkeit der Reise so gut wie besiegelt. Modgudr fragt jeden Reisenden nach Namen und Herkunft und lässt ihn ziehen. Zumindest in Richtung Hel. Die Musik auf "Hel" wird von nun an karger. Weniger Melodien, mehr Geräusche und Klänge. Der Reisende steht sodann vor Garm, dem Höllenhund. Er bewacht den Eingang zur Unterwelt. Auf dem Album wird diese Begegnung zu einer besonderen Dramatik aufgebaut. Einer Maschine gleich schraubt sich der Song mit dröhnenden und sich dahin walzenden Tönen voran. Garm lässt zwar jeden hinein, aber niemand wieder hinaus. Neben Garm sitzt der Hahn Fialar, der am jüngsten Tage Ragnarök mit seinem Krähen die Totenwelt weckt, genauso wie die Hähne der Götter diese wecken. Der Rhythmus symbolisiert das Ticken einer Uhr, so als ob nun die Zeit des Reisenden abläuft. Plötzlich sind auch wieder lang gezogene Töne zu hören, die sich zu einer Melodie formen. Der Abschluss bildet auch gleichzeitig den Höhepunkt. Wir erreichen Hel, wobei noch offen ist, ob hier der Ort oder Ort und Göttin gemeint sind. Der Songs beginnt sehr verhalten und steigert sich immer mehr in ein atmosphärisch dichtes Crescendo. Das Ziel, die Unterwelt, ist nun erreicht! "Hel" zählt vielleicht nicht zu den innovativsten Veröffentlichungen im Dark Ambient Bereich, dafür aber zu den atmosphärisch dramatischsten. Ein wirklich geheimnisvolles, finsteres und ergreifendes Album, das nicht nur allen Liebhabern des düsteren Cyclic-Law-Sounds gefallen wird.