„Einsamer Wand'rer schenk' mir Dein Gehör...“ (Zitat „Laya“), denn Adversus haben sich erneut daran gemacht, dem geneigten Hörer Geschichten aus ihrem bittersüßen Kosmos zu erzählen. Diesmal werden wir mit einem kleinen Silberling namens „Laya“ in einen verwunschenen Wald entführt, in dem sich allerlei seltsame Geisterwesen tummeln. Laßt uns also die Reise auf „Verschlungene[n] Pfade[n]“ beginnen. Vogelgezwitscher und ein Kuckuck begrüßen uns, aus der Ferne ist ein Horn und Geräusche von Pferdehufen zu vernehmen. Das Intro steigert sich, wir dringen weiter vor und stehen plötzlich vor Gerstengrün. „Der Wind auf den Feldern“ singt ein Lied aus längst vergangener Zeit. Aus einer Zeit, als in Irland die Rebellion tobte (1798) und Gerstenpflanzen jene Stellen markierten, wo gefallene Aufständische begraben lagen. Hier verliert ein Rebell seine Geliebte durch einen Schuß aus dem Dunkel und macht sich auf, Rache an den Engländern zu üben. Die Ballade „The Wind That Shakes The Barley“ von Robert Dwyer Joyce (1836-1893) stand Pate für diese Erzählung, welche uns von Sängerin Aysel dargeboten wird. Doch kehren wir zurück in den Wald und wohnen einer Versammlung des Geistervolkes bei. Der Succubus Laya wird ausgesandt, den Menschen mit Hilfe eines schwarzen Steines Tod und Verderben zu bringen. Bald schon trifft Laya einen vom Krieg gezeichneten Landsknecht, der allzuschnell ihren Verführungskünsten erliegt und vom Stein verzaubert in tiefen Schlummer fällt. Laya kommt in den Kreis der Feen zurück, doch das erwartete Gefühl des Triumphes will sich nicht einstellen. Statt dessen erkennt sie, daß sich etwas ganz anderes in ihrem Herzen verbirgt, die Liebe. Von Angst geplagt besucht sie erneut die Welt der Menschen, doch es ist zu spät. Der Geliebte liegt vom feindlichen Heer ermordet im Wald und Laya's Schmerz wird ewig währen, „denn Feen sind verdammt, unsterblich zu sein.“ (Zitat „Laya“). Fast scheint es, als ob die „Krähen im Gewölk“ dazu ihre Klage anstimmen. Wir beenden die Wanderung am Lagerfeuer, und lauschen dem akustischen Vortrag von „Seelenwinter“, bevor die Vögel ihr Abschiedslied pfeifen. „Laya oder die Ballade vom schwarzen Stein“, ein 14-Minuten Epos, welches ein wenig an die Tradition mittelalterlicher Barden angelehnt scheint, bildet sowohl das inhaltliche als auch das musikalische Zentrum dieser EP. Im Vergleich zu den beiden vorangegangen Alben fällt die relativ zurückhaltende Begleitung auf, die den Wechselgesang zwischen Rosendorn und Aysel, der neuen Stimme bei Adversus, in den Vordergrund rücken läßt. Dabei vernehmen wir Rosendorn diesmal nicht als rauhen Kontrapunkt zum klaren Sopran der Sängerin, sondern als sanfte Ergänzung. Auf den beiden anderen Tracks, welche gewissermaßen den Rahmen bilden, übernimmt allerdings Aysel allein den Gesangspart und meistert ihre Feuerprobe als Nachfolgerin von Susanne Stitz mit Bravour. Obwohl eine irische Ballade die Vorlage für „Der Wind auf den Feldern“ war, ist das Stück im für Adversus typischen Stil instrumentiert, mit elektronischen Percussions, Streichern und – das ist überraschend – einem effektvollen Klarinettensolo. Auf irisch-traditionelle Melodieführung wurde gänzlich verzeichtet, dadurch wirkt die alte Geschichte angenehm modern und unaufdringlich. „Krähen im Gewölk“ dagegen erinnert etwas an QNTAL. Nur mit Saiteninstrumenten untermalt gleitet das vertonte Gedicht (Originaltitel: Winterdämmerung) des Expressionisten Georg Trakl sachte ins Ohr, eingeleitet und verklingend mit leisen Chorälen des belgischen Komponisten Alexander Agricola. Anfänglich etwas gewöhnungsbedürftig indes ist die akustische Lagerfeuerversion von „Seelenwinter“ aus dem ersten Album „Winter so unsagbar Winter“. Mit dieser Interpretation konnte ich mich erst nach einigen Durchläufen anfreunden. Wohl auch deshalb, weil ich Adversus noch nie auf der Bühne erleben durfte. Einen kleinen Eindruck davon gibt jedoch der Media-Track am Ende der CD, wo der Song „Deiner Schönheit gewahr“ bei einem Auftritt am 27. Mai 2006 in Darmstadt etwas unbeholfen von den Kameras eingefangen wurde. Obwohl „Laya“ durch den Verzicht von härteren Tönen sowie von Rosendorns Schreien das bisher ruhigste Werk des Projekts ist, ist der Grundton doch durch und durch „adversianisch“ und wie bei allen bisherigen Produkten aus dem Hause Adversus ist auch das kunstvolle Booklet mit allen Texten wieder ein optischer Genuß. Musikalisch ein Pflichtkauf für Freunde dieser Art von Klängen. Leichte Abzüge in der B-Note gibt’s für das nicht ganz so gelungene Live-Video.