Man hetzt so durchs Leben, überall Anforderungen, ständig neue Dinge, auf die man achten muss und Regeln und Nachrichten werden im Sekundentakt quasi live über die ganze Welt verteilt. Die Algorithmen der Programme, die unser Leben bestimmen und die Verknüpfungen von Firmen und Politik sind undurchsichtig und wirken auf viele bedrohlich. Eine gewisse Machtlosigkeit kann spürbar wahrgenommen werden. Das kann überfordern, dass kann eine ungesunde Wirkung haben und so ist es doch erfreulich, dass sich immer mehr Musiker auf die Langsamkeit besinnen und auf die magische Wirkung intensiver Atmosphäre auf die Musik selbst. Das vorliegende dritte Album der vier Herren aus Russland mit einem gewissen Hang zu tibetanischer Kultur huldigt der Langsamkeit, der Überschaubarkeit von Aktionen und legt viel Wert auf eine rituelle Stimmung. Und sie sind true, das zeigt schon das v in Kvlt. Wirkt es denn?

Abysskvlt haben sich einem Sound verschrieben, der ausgesprochen schwer umzusetzen ist – Langsamkeit auf diese extreme Weise zu zelebrieren, ohne dabei einfach, amateurhaft und einfallslos zu wirken ist verdammt aufwendig. Und Abysskvlt sind verdammt langsam und sparsam mit ihrem eigenen Einsatz. Die vier vorliegenden Brocken ziehen sich zwischen 16 und 26 Minuten und nur, wer wirklich aufgeht im Klangkosmos der Russen und eintaucht in ihre rituelle Welt, kann hier von Genuss sprechen. Verhallte Kinderstimmen, Geräusche, die eventuell Kehlkopfgesang darstellen könnten, bedrohliches Drumming, verzerrte Vogellaute und dann der erste einsetzende Akkord nach zwei Minuten. Dann Funeral Doom der ganz langsamen Art, verhallte Vocals, kaum wahrnehmbar – sind es vor sich hingebrummelte Mantren? Growls? Ein Keyboard setzt träge und verhallt ein – fast könnte man meinen, man befindet sich in den Bergen und hört Fetzen einer im Tal stattfindenden Jam-Session und der Wind trägt die Klänge undeutlich herauf. Dann finster-tief gurgeliges Growlen oder heiseres Fauchen. Es schleppt sich voran, 6 Minuten sind vergangen. In den kommenden 8 Minuten passiert nicht viel Neues, dann verklingen die Riffs und dem Ambient wird Raum geschaffen. Sprachfetzen, Trommeln und atmosphärische Geräusche. Dann noch einmal Riffs, dann Ambient und 18 Minuten sind rum. Und das Ganze dann viermal. Das kann natürlich nur funktionieren, wenn man sich berührt/bewegt fühlt – sei es durch langsame, aber gelungene Melodien/Riffs, eine besonders intensive Atmosphäre, irgendwas. Ich habe mich nun mehrfach durch ‚Phur g.yang‘ gearbeitet und für mich blieb es Arbeit. Mich lassen alle Stücke, der Sound der Band und ihr Umgang mit den Möglichkeiten kalt. Die Samples nehmen zu wenig Raum ein, die Ambientparts stehen in einem zu deutlichen Kontrast zu den ewig schleppenden Riffwänden (plötzliche Stille statt homogene Übergänge, aber es wird zu wenig geboten um den Kontrast zu begründen) und gefühlt spielen die Herren ein und den selben Song immer und immer wieder und immer gleich, also sehr langsam. Ich habe wirklich nichts gegen Funeral Doom, Ambient und ähnlicher sehr von eigentlicher Musik entfernter Tonkunst, aber 80 Minuten kaum unterscheidbare und zu extrem verhallte Trägheit ist selbst mir zu viel.

Ich komme nicht umhin, Abysskvult eine Abfuhr zu erteilen. Ich mag das Album nicht. Es ist solide eingespielt, aber wirkt eben doch ein wenig amateurhaft, weil eben bei der Geschwindigkeit alles perfekt sitzen muss und kreative Musiker selbst mit wenigen Tönen Klasse suggerieren können, die hier fehlt. Es findet keinerlei Progress statt, es gibt ein und denselben Brei immer und immer wieder wiederholt. Die Produktion halte ich für fragwürdig, weil zu diffus verhallt und einfach nicht gut klingend – insgesamt wüsste ich nicht, warum man hier Zeit und Geld investieren sollte.

PS.: Im Moment finde ich von der Band selbst auf Facebook und Bandcamp keinen Hinweis zum Album, nur zu den Vorgängern. Auf Youtube möchte man am 20.05. das Album komplett präsentieren, das offizielle Releasedate war aber (Stand 15.05.2021) gestern. Auch ne Strategie, die mir wie das Album selbst fremd bleibt.

 

Abysskvlt

Phur g.yang

 

14.05.2021

Solitude Productions

 

https://abysskvlt.bandcamp.com/

https://www.youtube.com/watch?v=GxDqE43NV3Q

 

01. Jhator
02. Nga-Ri
03. Phar
04. Mchod Rten