ABS6 - Audiomedikation

ABS6 ist Teil des 2000 in Genf gegründeten Künstlerkollektivs und Netlabels "Audioactivity", in dem er bisher unter den Namen Gerbem und PIOUK! Drum and Bass, Breakcore und sogenannten "electronica core" produziert und Live-Auftritte absolviert hat. Als Einflüsse werden u.a. Autechre, Aphex Twin, LTK Bukem, Venetian Snare und Black Sun Empire aufgeführt, was seiner evidenten Affinität zu Breakbeats und verspielten IDM-Mustern entspricht. Unter dem Namen ABS6 vereint er all dies und geht noch darüber hinaus, so lassen sich auf seinem Debüt-Album "Audiomedikation" auch stimmungsvolle Ambient-Strukturen finden, zudem werden Reminiszenzen zu Industrial und Techno/Electro geweckt. "Diagnostik" eröffnet das Album mit wobbelnden Basslines, flächigen, Ruhe vermittelnden Synthlines, einer unaufdringlichen Melodie und elaborierten, treibenden Breakbeats in einem synkopierten Rhythmus, der zumindest in der ersten Hälfte unüberhörbare Ähnlichkeit zu DnB oder Dubstep aufweist. Die häufigen Breaks, das "Stottern" der Percussions und der Detailreichtum kontrapunktieren dabei den Ambient-Charakter des Stücks. "Premiers Traitements" war schon Teil des Samplers "Miwak Twelve", der Mitte 2009 auf Hymen erschienen ist, und kombiniert ebenfalls ausdrucksvolle Ambience mit frickeligen Soundfragmenten und diesmal etwas ruhigerem Breakbeat. Mit Tracks wie "Basslines Enhancing The Intestinal Transit", "Minimoi" oder "Dance Mass Index" bekommt der Hörer einen Eindruck vom Industrial- und Techno-Einfluss, der auch weitere Lieder prägt. In den beiden Erstgenannten werden zu einem großen Teil stampfende 4/4-Beats mit kraftvollen, kontinuierlich modulierten, knarzigen Basslines unterlegt, wobei man auch hier gelegentlich aus dem gewohnten Konzept gebracht werden kann. "Dance Mass Index" hat dabei den subjektiv etwas schwächeren Bass-Kick, dafür stechende HiHats auf den 16teln, die nach Stroboskoplicht schreien, und eine in sich verschwimmende, arpeggierte Synthline. Dann wären da noch Tracks wie "Reforme Alimentaire" oder "Dopamine Deficiency", die auf mich, aufgrund der zahlreichen, nicht unbedingt harmonisch und nach Standard-Metrum arrangierten Elemente, einen unstetigeren, fast nervösen Eindruck machen, dem allerdings, wie schon zuvor, durch angenehme Ambience und wiederkehrende Sounds, Tonfolgen u.ä. eine Grenze gesetzt wird. Als leichte Kost lässt sich die Musik von ABS6 sicherlich nicht bezeichnen. Distortion wird auf dem Album in unterschiedlichem Umfang und Intensistät eingesetzt und trägt zu der interessanten Gegenüberstellung des übrigen, kalten Sound-Dickichts zu den klar klingenden melodischen Komponenten bei. Hymen beschreibt die Musik als kaleidoskopisches Verschmelzen und Wandeln, und dem kann ich nur beipflichten. Der erste Durchlauf hat mich neugierig gemacht, der zweite schon überzeugt. Eine facettenreiche Gratwanderung zwischen ausschweifendem Electronica und solidem Clubfutter, welche nie langweilig wird, sofern man nicht resistent ist gegenüber gewissen immersiven Effekten des streckenweise technoiden Beats. Aus den verschiedenen Versatzstücken emergiert ein distinkter, schwer zuzuordnender Stil, gleichzeitig roh und feinsinnig. Dieses Album dürfte all denen ein schlechtes Gewissen bereiten, die ABS6 nicht auf dem diesjährigen Maschinenfest erleben durften, ich für meinen Teil bereue es jedenfalls nun umso mehr, nicht dort gewesen zu sein. "Audiomedikation" sollte eventuelle Entzugserscheinungen von Freunden des IDM und Industrial (-Techno) gleichermassen kurieren können.

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