Fangen wir mit Beethoven an. Warum auch nicht. Was Musik angeht, kann das kein schlechter Start sein. Wenn er heute noch leben würde, wäre er aber wahrscheinlich froh, taub zu sein und die Interpretation seines Konzerts für Violine und Orchester D-Dur op. 61 durch die beiden Projekte Aalfang Mit Pferdekopf und Dronæment nicht mit anhören zu müssen. Das hätte das Erkenntnisvermögen des schroffen Komponisten bei weitem gesprengt. So dürfte es auch dem Hörer von "Hermit Haven" gehen: Die ersten zwei Tracks des Albums beruhen auf eben jenem Konzert für Violine und Orchester. Erkennen tut man davon freilich nur noch schwerlich etwas, denn Mirko Uhlig und Marcus Obst geben sich dem Wahnsinn preis und haben ein Album voll verrückter Drone-Ambient-Stücke geschaffen. Das resultierende, knapp 80 Minuten lange Album "Hermit Haven" war anscheinend auch einigen Labels zu verrückt, aber es hat beim kleinen Label Tosom seine Heimat gefunden. Aber natürlich ist Beethoven nicht die einzige Bezugsgröße. Es werden auch noch Kurt Schwitters und sein Merzbau ins Spiel gebracht. Schwitters hatte viele Jahre an seiner kubistischen Collagen-Grotte gearbeitet, bis sie den Bomben des zweiten Weltkriegs zum Opfer fiel. Aber zurück zu Musik: Um "Hermit Haven" ungehört erfassen zu können, müssen Beethovens Klassik mit Schwitters collageartigem Design und das wiederum mit der Drone-Musik von Aalfang Mit Pferdekopf und Dronæment verbunden werden. Voila: Ein sägendes Cello, "La la la"-Rufe zwischendurch und Drones, die wiederum teilweise aus dem Cello-Sound gebastelt scheinen. Aalfang und Dronæment präsentieren sich einmal absichtlich schräg und ein anderes Mal introvertiert. Allein die ersten beiden Tracks bringen es auf über 45 Minuten. Aufgrund des experimentellen Charakters fällt das gar nicht auf, für wahnwitzige Wiederholungshörer hätte es dann aber doch etwas weniger sein dürfen. Die folgenden Tracks geben sich zwar nicht besser einschätzbar, kreisen aber um enger umrissene Themen (zumindest glaubt man das). Die nach einem verwirrenden Anfang hallende Gitarre in "Ethnographische Kühe" klingt fast idyllisch, bevor der Song am Ende wieder abdreht und einen absolut verrückten zoologischen Text präsentiert. "Dronabinol" und "Suchness / Suchmess" sind die eher introvertierten, weniger experimentellen Stücke, die sich mehr auf die Drone-Musik konzentrieren. Zum Schluss kommt die bereits erwähnte Kurt Schwitters Referenz über den Hörer und mit ihr wieder das sägende Cello aus den ersten beiden Tracks. Eigentlich würde man erwarten, dass am Ende eines solchen Albums etwas Unerwartetes passiert, sich die Welt in ein Dali-Gemälde verwandelt oder ähnliches. Stattdessen dröhnt und sägt sich "Hermit Haven" eisern bis zum Schluss durch. Aber ein aufsehenerregendes Album benötigt auch kein extravagantes Ende. Experimental-Drone-Kunst vom Feinsten, aber leider wohl nur für einen kleinen Hörerkreis.