Nach Auftritten auf einschlägigen Festivals (wie dem Elektroanschlag und Forms Of Hands) und entsprechender Präsenz auf den dazugehörigen und anderweitigen Samplern legt S.K.E.T.-Mitglied Candy Schlüer nun das erste Album seines Solo-Projekts 16Pad Noise Terrorist vor. 2006 aus der Taufe gehoben ging es stilistisch in Richtung Drum n Bass, und zwar die ominöse Seite, die mit dem Plus an Industrial und dem Minus an Sonnenschein-Liquid Funk. "Utopia" lässt sich jedoch nur bedingt eingrenzen und lässt u.a. Einflüsse aus IDM, Punk, oder eben auch Rhythmic Noise erkennen, was Schlüer unter der blumigen Bezeichnung "Postnuclear Brutalism Funk" zusammenfasst. Vor diesem Hintergrund ist es umso vielversprechender, das sich kein geringerer als DJ Hidden für das Mastering der Scheibe verantwortlich zeigt. Auf der Innenseite des Covers begegnen einem ein paar poetische Zeilen des irischen Schriftstellers Oscar Wilde, in denen dieser zum Ausdruck bringt, das Fortschritt die (unerreichte aber zumindest intendierte) Realisierung von Utopien darstellt und eine Welt ohne diese nicht betrachtungswürdig wäre. Eine Utopie ist immer eine verbesserte Idee von dem, was ist, und insofern ein ständiger Antrieb. Ich denke mit Musik verhält es sich ähnlich, nicht umsonst blicken wir auf eine lange Geschichte der Musikproduktion zurück, die einerseits auf dem aufbaut, was bestand und besteht, und andererseits versucht, Grenzen zu überschreiten, Neues zu erschaffen. Eine adäquate Einleitung für ein Album, das sich als vielseitiger Genre-Hybrid erweist. "Utopia 1/2/3" sind, wie auch das 16sekündige "Break 7 Slow", eine Art kurze Intermissions, die jeweils mit Ambient-Soundkulisse aufwarten. Utopie steht zwar drauf, doch die allgemeine Stimmung auf dem Album ist eher trostlos und dystopisch. Einzige Ausnahmen wären das sehr dubbige und flotte "No Pain No Religion" und das letzte Stück des Albums, "Lovetrack (Excited)", welches mit Streicher-Sound verhältnismässig melodiös erscheint, ohne jedoch auf auf einen obligatorisch verzerrten Breakbeat zu verzichten. Die Mehrheit der Tracks weist einen eindeutigen Drum and Bass-Charakter auf, aufgepeppt durch diverse Breaks und Beatgehacktem. Dazu gibt es auch die typischen, hier teils stark verzerrten, Basslines, welche den Subwoofer eindrucksvoll wummern lassen. So auch bei meinem Favoriten "Swamp Of Death", welcher mächtig kickt und Druck aufbaut. Die zur zweiten Hälfte des Stücks einsetzenden Shouts verleihen der dunklen Atmosphäre, unterstützt durch Streicher-Synth im Hintergund, nochmal eine aggressivere Stoßrichtung. Dagegen ist "Symbolic Forms" geradezu Ambient, der Beat ist geradliniger und teils erinnert mich der melodiegebende Klang an eine singende Säge, was zusammen schräg psychoaktiv wirken kann. Auch "Darksteps" würde ich als realtiv(!) ruhiges Stück bezeichnen, der Beat ist hier jedoch etwas vertrackter und schwermütiger, und der "Gesang" bzw. das, was sich danach anhört, erinnert mich irgendwie an Die Form. Eine weitere herausstechende Nummer ist "Mangogirl", da hier ein Rhythmus eingesetzt wird, der stark an UK Garage erinnert. Zusammen mit der wabernden Bassline und den spacigen Synth-Sounds trägt er seinen Teil zum Abwechslungsreichtum von "Utopia" bei. Düstere Atmosphäre, metallische Klangerzeugnisse, Samples und temporeiche Beats im Überflüss, und alles nochmal schön mit Distortion gespickt: mein Kandidat für Oslo steht fest. "Utopia" bleibt beim Durchhören klangtechnisch durchgehend interessant und abwechslungsreich, hier wird nicht rückwärts gespielt, sondern nach vorne. Das Stress-Level hält sich jedoch auch in Grenzen, denn die Strukturen bleiben klar erkennbar und ein Minimum an Melodie wird dem Hörer auch hin und wieder gegönnt (wenn auch nur z.B. in Form der Bassline bei "T Or 3rror"). Nichtsdestotrotz wird stellenweise rücksichtslos gebrezelt, somit ist dieses Werk sicherlich nichts für zart Besaitete, sondern für Freunde der gepflegten Lärmattacke mit Option auf bröckelnde Wände.