Mit seinem siebten regulären Album "Disinfectant" offeriert Sunao Inami unter dem eigenen Label für alternative elektrotechnische Musik neben einer handvoll neuer Stücke auch Varianten von Titeln früherer Alben, und zwar aus einer Live-Darbietung in Tokyo 2009. die er einen Monat später in seinem Studio remixed hat. Das Ergebnis ist ein minimalistisches, melodieloses und primär perkussiv ausgerichtetes Mischgewebe aus Rhythmic Noise, Glitch, Ambient, Techno- und Breakcore-Einflüssen. "Intro (Live RMX)" besteht zunächst aus relativ düsteren Soundscapes und effektbeladenen Spielereien, die schliesslich in ein knisterndes Rauschen übergehen, welches den ersten mit dem zweiten Track verbindet. Diese fliessenden Übergänge bleiben auch bei den übrigen Stücken bestehen.

Bei "Waiting In The Grain (Live RMX)" wird von Beginn an über einen dezenten Basskick ein Beat angedeutet, der im Verlauf des Tracks, ergänzt durch eine elaborierte Glitch-Geräuschkulisse, immer mehr Raum beansprucht. Er bleibt jedoch noch zurückhaltend, erst in "Instrumental (Live RMX)" gewinnt der Kick an Druck. Der Rhythmus nimmt graduell an Komplexität zu, bis im letzten Drittel das scheinbare Chaos losbricht und man mit hektischen Snares und Breaks konfrontiert wird. Mit dem "Legacy Of Mangler"-Remix verhält es sich ähnlich (allerdings wird viel früher Gas gegeben), zudem auch hier gelegentlich rauschende Fragmente eingestreut werden. Der leicht verzerrte Beat, die Struktur und der Sound weisen eine gewisse Ähnlichkeit zu der Arbeit des deutschen Projekts incite/ auf. Beim darauf folgenden "You Say Cut Up", wie auch bei "Watch That Circuit", erfährt der erwähnte Minimalismus seine stärkste Ausprägung, so besteht ersteres nur aus einschichtigen Soundexperimenten, Stille, und etwas Rauschen, und letzteres aus einem einzigen Sound, der im Verlauf moduliert wird.

Ab "The Man Who Sold The Calculator (Live RMX I)" werden die Drumpatterns etwas eingängiger, als die ersten Titel vielleicht erwarten lassen. In besagtem Lied begegnet dem Hörer ein Beat mit Ethno-Qualitäten, in Form eines treibenden Basskick, fieberhafter Hihat-Arbeit und anderweitiger Percussion, dazu ein verzerrter, metallischer Sound und ebenfalls verzerrte, prozessierte und fragmentierte Samples. Der "RMX II" wirkt dagegen nochmal wesentlich anstrengedner, bedingt durch eine repetitive Acid-Synthline und schepperndem Breakbeat. Von "Skew" bis "Beatnik Elektronik" ist überwiegend ein 4-on-the-floor Beat anzutreffen, der zwar durch kurze Breaks aufgelockert wird, aber die Grundstruktur bleibt über die gesamten Lieder erhalten, wobei es sich bei "Wall Of Tokyo" oder "Beatnik Elektronik" etwas nach Preset-Drumsounds anhört und aufgrund fehlender melodischer Komponenten etwas langweilig wirken kann. Diese Gefahr besteht auch bei "Skew" und "Slew", in denen überwiegend nur Midtempo-Basskick zu hören ist.

"You Daren't Look Behind" wechselt dann nochmal zu ausgeprägterem Breakbeat im Industrial-Stil, wogegen "Keep Turn The Red Knob" wieder etwas mehr Ambience ins Spiel bringt und erst verzögert nur dezentes Beatwork einsetzt. Melodien gibt es eigentlich keine, zwar taucht gelegentlich eine Synthline auf, die potentiell dazu in der Lage wäre, allerdings ist die Tonfolge und der Einsatz dieser eher auf rhythmische Funktionen beschränkt. Die stärker etwas stärker in Richtung Ambient deutenden Stücke, wie auch das Letzte, mit ihren geisterhaften, schwer fassbaren Soundscapes, sind die wenigen atmosphärischen Stücke und bieten eine willkommene Abwechslung zum Diktat der Trommel. "Disinfectant" bietet tanzbare, wie auch abstraktere und komplexere Kompositionen, doch obwohl Abwechslung gegeben ist, der Beat grooved,die Sounds sich gut einfügen und das Gleichgewicht zwischen Experiment und Zugänglichkeit aufrechterhalten können, zündet das Album bei mir nicht wirklich.

Vielleicht ist es doch etwas zu minimalistisch, hat zuwenig stimmungsbildende Flächen (helles Rauschen zähle ich nicht zwingend dazu) oder Hooklines, zuwenig Klimax. Für Beat-Asketen könnte es jedoch einen willkommenen Hörgenuss darstellen.