Manchmal verkommen Musikrichtungen fast schon zu negativen Bewertungen. Schlager wäre dabei wohl die bekannteste, aber durch konsequente und jahrelange Überfütterung des Marktes mit nahezu identischen Alben ist auch der FolkMetall eine solche. Wer sich nicht konsequent alles mit Met schöntrinkt und schunkelnd auf künstlerische Beweglichkeit pfeift, der wird deswegen eben bei der Stilbeschreibung Folk Metall mit Vorbehalten an ein Album herantreten. So auch der hier Schreibende bei der ersten Begegnung mit ‚Habitat‘, dem Debut des niederländischen Duetts Alvenrad.

Coverartwork und Bandfoto liegen mir vor, das Booklet leider nicht – und so beschwichtigt mich die Optik nicht: das kann eine heftige Gurke werden… Doch dann - den ersten Song „Woudakoestiek“ gehört und ich gestehe: ich bin ein kleines bisschen verliebt. Wie konnte es nur so weit kommen? Vorsicht, dieses Album ist kitschfreie Zone! Munter und hemmungslos arbeiten sich die beiden Herren durch allerlei Rock und Metall Stile, um einen irren und dennoch homogenen FolkMetall zu schaffen, wie man ihn sich seit Jahren gewünscht hat. Ähnlich amüsiert wie beim Lauschen der ersten Finntrolleskapaden oder 2008 SorgSvart höre ich epischen Gesang, Sprechgesang, Growls. Folk, Metall, klassische Elemente und psychedelische Orgeln. Sehnsüchtige Gesangseinlagen verenden in schräge Vocalexkurse, ruhige Passagen kommen mit rasenden Drums (aus der Konserve, aber exzellent programmiert) zum Abschluss und die Stile wechseln unvorhergesehen im Sekundentakt.

Klingt zerfahren? Ist es nicht. „Zwartwildernis“ treibt den Hörer in 70er Gefilde, eine Flöte gesellt sich in den Reigen und ich tanze über den Tisch und trete die Bierhumpen runter. Dann der Break, wie die großen Vorbilder (z.B. Jethro Tull) gönnt man sich eine kurze traumgleiche Verschnaufpause zur Liedmitte. „Verweven klauwen“ bringt natürlich klingenden Damengesang (=nicht perfekt, aber wenigstens auch kein übertriebener Angelic Voices Schmarrn), kompromissloses Metallriffing und epische Grundstimmung mit sich. Der Refrain von „1911“ ist eine Bombe, die durchgedrehte Orgel im zweiten Teil des Songs ein Knaller. Der Titeltrack geht es melodisch etwas ruhiger an und hat mit seinen klassischen Elementen sekundenweise Filmmusikflair im Metallgewirr. Die treibend metallisch intonierte Ballade „O patrones“ zeigt, dass Alvenrad auch hier kitschbefreit agieren können.

Nach einem kurzen (soliden) akustischen Duett von Gitarre und Piano ballert „Foreest in tweelicht“ blackmetallisch vorwärts um dann wieder ProgRock in MetallGewand zu bieten. Die Gesangslinie und das mitreißende Rufen werten den guten Song noch einmal mehr auf. Und schließlich endet das Album mit „Ondermaans“ typisch nachdenklich. Und wieder kitschfrei, obschon eigentlich alle Elemente für Retortenschmachterei da wären. Es klingt, als ob das Duo noch nie etwas von FolkMetall gehört hat. Vielmehr scheinen sie sich fast ausschließlich mit Prog- und FolkRock der 70er befasst zu haben, ein wenig mit 80er Metall und ein klein wenig mit extremeren Metallspielweisen. Und diese Zutaten wurden herzerfrischend, lebendig und beschwingt zusammengeworfen.

Das Ergebnis ist ein großartiges Erlebnis, das man ganz klar als FolkMetall bezeichnen muss, obwohl es Lichtjahre vom Gros der Genrevertreter entfernt ist. Nicht immer zu 100% perfekt gespielt oder gesungen und an manchen Stellen mangelt es noch etwas am Halten des Spannungsgrades während der einzelnen Stücke – doch das sind kleine Kritikpunkte für ein ansonsten absolut empfehlenswertes Debut!